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Letzte Instanz

Letzte Instanz

Titel: Letzte Instanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcia Muller
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an,
Barb.«
    »Deine Wut mögen die letzten vierzig
Jahre ja gedämpft haben. Meine nicht.«
    »Du warst doch zu der Zeit auf dem
College.«
    »Habe ich deswegen kein Recht, wütend
zu sein?«
    Ich verstand langsam, was Adah gemeint
hatte, als sie sagte, es sei ein Wunder, daß ihre Eltern noch lebten, so wie sie
miteinander stritten. Bei einer hitzigen ideologischen Debatte wäre ich
bestimmt nicht gern zwischen sie geraten.
    Mit einem leichten Vorwurf in der
Stimme fragte ich: »Was ist denn den Woods zugestoßen?«
    »Verzeihen Sie«, sagte Rupert. »Larry
Woods und seine Frau waren gute Freunde von mir und meiner ersten Frau. Für
mich hat ihre Geschichte eine ganz persönliche Bedeutung, während Barb sie mehr
als eine politische Metapher betrachtet.«
    »Metapher. Ach, leck mich!«
    »Weib, hüte deine Zunge!«
    »Dann mach mich nicht nieder.«
    »Es war so, Sharon...«
    »Als man zum Schlag gegen die
Kommunisten ausholte...«
    »Larry war nie Kommunist...«
    »Das war damals völlig egal. All ihre
gefährlichen Etiketten und Schlagworte: Mitläufer, Sympathisant,
Geheimmitglied...«
    Ich hob die Hände. »Augenblick bitte!
Sie haben mich offenbar ganz vergessen.«
    Beide sahen mich überrascht an, als
merkten sie erst jetzt wieder, daß sie auch noch eine Zuhörerin hatten. »Barb«,
sagte Rupert, »nur einer von uns kann Wortführer sein.«
    »Na ja, du hast eine persönliche
Beziehung zu der Geschichte, während ich objektiven Abstand habe. Soll Sharon
doch entscheiden, welche Version sie vorzieht.«
    Großartig, dachte ich, jetzt soll ich
auch noch Position beziehen. »Wie wäre es, wenn ich erst die persönliche Ansicht
hören könnte, die Sie« — ich sah Barbara an — »dann in den allgemeinen
Zusammenhang stellen könnten?«
    Beide nickten offensichtlich zufrieden.
Rupert legte die Fingerspitzen gegeneinander und sank tiefer in seinen Sessel —
offenbar seine Erzähler-Positur. »Meine erste Frau und ich kamen im Krieg nach
San Francisco. Ich habe in den Werften gearbeitet. Da habe ich auch Larry Woods
kennengelernt. Er und seine Frau Jane waren noch keine zehn Jahre verheiratet —
beide zum zweiten Mal. Sein Sohn Roger war bereits erwachsen und wohnte nicht
mehr bei ihnen. Janes Tochter Melissa hatte gerade die High-School
abgeschlossen und arbeitete in einer Fabrik unten in South City. Nette
Familie.«
    »Rupe, komm zur Sache!«
    Er zwinkerte mir zu und ignorierte sie
ganz bewußt. »Nach dem Sieg über Japan kam Larry bei San Francisco Stevedoring,
einem großen Unternehmen, voran. Er trat der Dock- und
Lagerarbeiter-Gewerkschaft bei. In der Gewerkschaft stieg Larry schnell auf,
kam in Verbindung mit den Progressive Citizens of America, aus denen später die
Progressive Partei entstand. Wahrscheinlich hat er auch ein paar
Parteiversammlungen der amerikanischen Kommunisten besucht — aber wohl eher aus
Neugier als aus anderen Gründen.«
    Rupert hielt inne und seufzte schwer.
Während er redete, war vollends die Dunkelheit hereingebrochen. Drüben auf der
anderen Seite des Zimmers saß Barbara mit verschränkten Armen im Dunkeln.
    Nach einer Weile fuhr Rupert fort. »Ich
weiß nicht, ob Sie das wissen, aber Mitglieder der Kommunistischen Partei spielten
eine große Rolle beim Zusammenschluß der Industriegewerkschaften, der CIO — und
dazu gehörte auch die Dock- und Lagerarbeiter-Gewerkschaft. Eine Menge
Parteimitglieder stiegen ziemlich hoch in der Hierarchie auf. Doch 1948 wandte
sich dann die Stimmung gegen sie. Die CIO-Führung warf ihnen — größtenteils zu
Unrecht — vor, Agenten einer fremden Macht zu sein. Bald schon wurden die Gewerkschaftsführer
von der Hysterie jener Zeit davongefegt, und selbst Mitglieder, die Wallace bei
seiner Präsidentschaftskandidatur unterstützt hatten, wurden denunziert. Vor
allem Larry Woods geriet in Schwierigkeiten. Er hatte den Mund einfach zu weit
aufgemacht und sich zu viele Feinde geschaffen. Drei Tage vor Weihnachten
desselben Jahres wurde er von einem Trio fanatischer Antikommunisten seiner
Gewerkschaft zusammengeschlagen. Sie ließen ihn halbtot in einer kleinen Straße
in South Market liegen.«
    Rupert Joslyn räusperte sich.
»Natürlich erhob er nach dem Überfall die Stimme noch lauter, und entsprechend
mehr wurde er belästigt und verfolgt. Larry, Jane und Melissa lebten praktisch
nur noch in Angst. Mitte neunundvierzig ging es mit Larry abwärts : Sie warfen
ihn aus der Gewerkschaft, und er verlor seinen Job. Bekam auch keinen neuen.

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