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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Die Männer würden mit dem Mietwagen nach Vermont fahren, und Ketchum würde anschließend das Auto nach Boston zurückbringen. Dann würde er in der North Station den Zug zurück nach New Hampshire nehmen. Ketchum wollte vermeiden, dass sein Pick-up ein paar Tage lang verschwunden war und Carl deshalb wusste, dass der Holzfäller fort war. Außerdem müsse er einen neuen Pick-up kaufen, erzählte ihnen Ketchum. Die weite Fahrt, die er und Dominic vor sich hatten, hätte Ketchums Truck wohl nicht geschafft.
    13 Jahre lang hatte Carmella gehofft, Mr. Ketchum kennenzulernen. Jetzt hatte sie ihn
und
seine gewalttätige Natur kennengelernt. Carmella war sofort klar, was ihr Angelù an diesem Mann bewundert hatte, und sie konnte sich unschwer vorstellen, wie Rosie Calogero (oder jede Frau ihres Alters) sich in ihn in jüngerem Alter hatte verlieben können. Doch jetzt hasste sie Ketchum, weil er ins North End kam und ihr ihren Gamba nahm; sogar das Hinken des Kochs würde ihr fehlen.
    Dann sagte Mr. Ketchum etwas, womit er sie sofort für sich gewann. »Wenn Sie eines Tages die Stelle sehen möchten, wo Ihr Junge umkam, wäre es mir eine Ehre, sie Ihnen zu zeigen«, sagte Ketchum zu ihr. Carmella kämpfte mit den Tränen.
So sehr
hatte sie die Stelle im Fluss sehen wollen, wo der Unfall geschehen war - aber nicht die Baumstämme. Sie wusste, die Stämme wären zu viel für sie. Nur das Flussufer, wo der Koch und Danny gestanden und zugesehen hatten, wie es passierte, vielleicht auch noch die genaue Stelle im Wasser - ja, das würde sie vielleicht eines Tages sehen wollen.
    »Ich danke Ihnen, Mr. Ketchum«, sagte Carmella. Sie sah zu, wie sie einstiegen. Selbstverständlich saß Ketchum am Steuer.
    »Falls du mich je wiedersehen willst...«, fing Carmella an.
    »Ich weiß«, sagte der Koch, ohne sie dabei anzublicken.
     
    Verglichen mit dem Tag, als ihr Gamba sie verlassen hatte, war der Tag, als Carl in das Vicino di Napoli kam, für Carmella fast eine Bagatelle. Wieder war es Nachmittag und wieder zur Essenszeit des Personals, und es war Hochsommer - irgendwann im August 1967, als sie allmählich alle glaubten (oder hofften), der Cowboy werde gar nicht mehr kommen.
    Carmella sah den Cop zuerst. Er war genau so, wie Gamba es ihr gesagt hatte: Auch wenn Carl keine Uniform trug, sah er aus, als hätte er eine an. Natürlich hatte Ketchum eine Bemerkung zu den Hängebacken gemacht und dazu, wie sich der Nacken des Cowboys in Speckfalten legte. (»Vielleicht haben ja alle Cops einen miesen Haarschnitt«, hatte Ketchum zu ihr gesagt.)
    »Einer von euch geht jetzt nach hinten in die Küche«, hatte Carmella befohlen und sich vom Tisch erhoben. Die Tür war abgeschlossen, und Carmella ging und schloss sie auf. Schließlich ging Paul Polcari in den hinteren Küchenbereich. In dem Augenblick, als der Cowboy das Restaurant betrat, wünschte sich Carmella, Molinari wäre in der Küche.
    »Sie sind wohl die Witwe Del Popolo?«, fragte der Hilfssheriff. Er zeigte ihnen allen seine Dienstmarke und sagte: »Massachusetts liegt zwar außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs - genau genommen liegt alles außerhalb vom Coos County außerhalb meines Zuständigkeitsbereichs -, aber ich suche jemanden, den Sie wohl alle kennen. Er muss einige Fragen beantworten - Dominic heißt er, ein kleiner Kerl, der hinkt.«
    Carmella fing an zu weinen; sie hatte zwar nah am Wasser gebaut, aber jetzt musste sie sich zwingen zu weinen.
    »Dieser Drecksack«, sagte Molinari. »Ich würd ihn umbringen, wenn ich wüsste, wo er ist.«
    »Ich auch!«, rief Paul Polcari aus der Küche.
    »Können Sie da rauskommen?«, rief der Hilfssheriff Paul zu. »Ich möchte jeden sehen.«
    »Ich bin mit Kochen beschäftigt!«, schrie Paul zurück und klapperte mit Töpfen und Pfannen.
    Der Cowboy seufzte. Sie alle wussten noch, wie der Koch und Ketchum Carl beschrieben hatten; sie hatten gesagt, der Cop lächle pausenlos, doch es sei das unehrlichste Lächeln der Welt. »Hören Sie«, sagte der Cowboy zu ihnen, »ich weiß nicht, was der Koch Ihnen getan hat, aber mir muss er einiges erklären...«
    »Er hat sie sitzenlassen!«, sagte Molinari und zeigte auf Carmella.
    »Er hat ihren
Schmuck
geklaut!«, rief der Hilfskellner.
    Der Junge ist ein Trottel!, dachten die anderen. (Vielleicht war sogar der Cop klug genug, um zu wissen, dass Carmella nicht die Sorte Frau war, die
Schmuck
besaß.)
    »Ich hab Cookie nie für einen Schmuckdieb gehalten«, sagte Carl. »Seid ihr

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