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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Dynamit in die Luft gejagt.
    »Aber bring kein
Dynamit
mit«, hatte Danny als ps geschrieben. »Nur das Feuerwerk.«
     
    Nach Boston, der ersten Etappe seiner Reise, brachte Ketchum nicht in erster Linie »Feuerwerk« mit. Der Bahnhof North Station lag in dem Teil des West End, der ans North End grenzte. Ketchum stieg aus dem Zug, ein Gewehr über der einen und einen Seesack aus Segeltuch über der anderen Schulter. Der Seesack sah schwer aus, aber nicht, wenn Ketchum ihn trug. Die Waffe befand sich in einem ledernen Futteral, aber jedem, der den Holzarbeiter sah, war klar, dass es eine Schrotflinte oder ein Jagdgewehr enthielt. So wie sich das Futteral verjüngte, sah man, dass Ketchum den Lauf der Waffe in der Hand hielt und der Kolben über der Schulter lag.
    Der Junge, der nun Hilfskellner im Vicino di Napoli war, hatte gerade seine Großmutter zum Zug gebracht. Er sah Ketchum und rannte ihm voraus, den ganzen Weg ins Restaurant. Dieser Hilfskellner erzählte, Ketchum habe wohl »den Umweg genommen«, was hieß, dass der Holzfäller einen Blick auf den Stadtplan geworfen und sich für die einfachste Route entschieden hatte, die nicht unbedingt die schnellste war. Ketchum musste über die Causeway Street in die Prince Street gekommen sein, die dann die Hanover Street kreuzte - eine Art Umweg zum North Square, wo das Restaurant lag, doch der Hilfskellner bereitete sie alle darauf vor, dass der große Mann mit der Kanone unterwegs war.
    »Welcher
große Mann?«, fragte Dominic den Kellnerlehrling.
    »Ich weiß nur, dass er eine Kanone dabeihat - er trägt sie über der Schulter!«, antwortete der Junge. Alle, die im Vicino di Napoli arbeiteten, waren gewarnt worden, dass der Cowboy im Anmarsch sein könnte. »Und er ist ganz bestimmt aus dem Norden - er sieht verdammt furchterregend aus!«
    Dominic wusste, dass Carl den 4 5 er-Colt nicht offen tragen würde. Der war zwar groß für eine Handfeuerwaffe, aber niemand trug einen Revolver über der Schulter. »Das klingt, als meintest du eine Schrotflinte oder ein Jagdgewehr«, sagte der Koch zu dem Hilfskellner.
    »Jesus Maria!«, sagte Tony Molinari.
    »Auf der Stirn hat er eine Narbe, als hätte ihm jemand mit einem Hackebeil den Schädel spalten wollen!«, rief der Junge.
    »Ist es Mr. Ketchum?«, fragte Carmella Dominic.
    »Er muss es sein«, antwortete der Koch. »Der Cowboy kann es nicht sein. Carl ist groß und dick, sieht aber nicht besonders >furchterregend< aus, und er hat auch nicht viel vom hohen Norden an sich. Er sieht einfach wie ein Cop aus, egal, ob uniformiert oder in Zivil.«
    Der Kellnerlehrling redete immer weiter. »Er hat ein Flanellhemd mit abgeschnittenen Ärmeln an, und an seinem Gürtel hängt ein
riesiges
Jagdmesser, das ihm fast bis ans Knie reicht!«
    »Das muss das Browning sein«, sagte Dominic. »Es ist eindeutig Ketchum. Im Sommer schneidet er einfach die Ärmel von seinen alten Flanellhemden ab - jedenfalls von denen mit zerrissenen Ärmeln.«
    »Wozu soll das Gewehr gut sein?«, fragte Carmella ihren lieben Gamba.
    »Vielleicht erschießt er mich, bevor Carl dazu Gelegenheit hat«, sagte Dominic, doch Carmella war nicht zum Scherzen aufgelegt, genauso wenig wie die anderen. Sie gingen zur Tür und zu den Fenstern und hielten nach Ketchum Ausschau. Es war die Zeit am Nachmittag, in der sie für sich waren und ihre Hauptmahlzeit einnahmen, ehe der abendliche Stress begann.
    »Ich lege für Mr. Ketchum ein Gedeck auf«, sagte Carmella. Die beiden jüngeren Kellnerinnen überprüften ihr Aussehen in einem Spiegel. Paul Polcari umklammerte mit beiden Händen eine Pizzaschaufel von der Größe eines riesigen Tennisschlägers.
    »Leg die Schaufel weg, Paul«, wies ihn Molinari an. »Du siehst albern aus.«
    »Er hat eine Menge Zeug in seinem Seesack - vielleicht Munition«, sagte der Hilfskellner.
    »Möglicherweise
Dynamit«,
sagte der Koch.
    »So wie der Mann aussieht, wird er vielleicht verhaftet, ehe er hier eintrifft!«, teilte der Junge allen Anwesenden mit.
    »Warum ist er hier? Warum hat er nicht vorher angerufen?«, fragte Carmella ihren Gamba.
    Der Koch schüttelte den Kopf; sie alle würden abwarten müssen, bis sie erfuhren, was Ketchum vorhatte.
    »Er kommt, um dich abzuholen, Gamba, nicht wahr?«, fragte Carmella den Koch.
    »Wahrscheinlich«, antwortete Dominic.
    Dennoch strich Carmella die kleine weiße Schürze über ihrem schwarzen Rock glatt; sie schloss die Tür auf und wartete dort. Jemand muss Mr. Ketchum doch

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