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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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begrüßen, dachte sie.
    Was soll ich in Vermont machen?, fragte sich der Koch im Stillen. Wen interessiert da die italienische Küche?
    Ketchum kam rasch zur Sache. »Ich weiß, wer Sie sind«, sagte er freundlich zu Carmella. »Ihr Sohn hat mir Ihr Foto gezeigt, und Sie haben sich kaum verändert.« Und ob sie sich in den über 13 Jahren verändert hatte, die vergangen waren, seit das Foto in Angels Portemonnaie aufgenommen wurde! Carmella war jetzt knapp zwanzig Pfund schwerer, wie alle wussten, dennoch freute sie sich über das Kompliment. »Sind alle hier?«, fragte Ketchum die Anwesenden. »Oder ist jemand in der Küche?«
    »Wir sind alle hier, Ketchum«, antwortete der Koch seinem alten Freund.
    »Tja, dass
du
hier bist, sehe ich, Cookie«, sagte Ketchum. »Und deiner missbilligenden Miene nach zu urteilen, freust du dich nicht besonders, mich zu sehen.«
    Ohne eine Reaktion abzuwarten, ging Ketchum einfach in den hinteren Bereich der Küche, bis sie ihn nicht mehr sahen. »Könnt ihr mich sehen?«, rief er.
    Sie riefen alle zurück: »Nein!« - alle bis auf den Koch.
    »Tja, aber ich kann euch noch sehen - das ist ideal«, sagte Ketchum. Als er aus der Küche kam, hatte er das Gewehr aus seinem Futteral genommen; ausnahmslos alle, einschließlich des Kochs, wichen davor zurück. Das Gewehr roch irgendwie fremd - vielleicht lag es am Waffenöl und am ölfleckigen Lederfutteral -, doch da gab es noch einen anderen Geruch, etwas
wirklich
Fremdes (selbst für Köche, selbst im Gastraum und in der Küche eines Restaurants). Vielleicht war es der Geruch des Todes, denn Schusswaffen haben nur einen Zweck: zu töten.
    »Das hier ist ein Ithaca-Jagdgewehr vom Kaliber zwanzig - Einzelschuss, keine Sicherung. Es ist so schlicht und simpel, wie ein Gewehr nur sein kann«, sagte Ketchum. »Sogar ein Kind kann damit schießen.« Er klappte das Gewehr auf, so dass der Lauf in einem Winkel von 45 Grad nach unten hing. »Es gibt keine Sicherung, weil man es vor dem Schießen mit dem Daumen spannen muss; es gibt auch keine Halbstellungsraste des Hahns«, fuhr der Waldarbeiter fort. Sie sahen fasziniert zu - alle außer Dominic.
    Was Ketchum über das Gewehr erzählte, kam ihnen spanisch vor, doch Ketchum wiederholte es geduldig immer wieder. Er zeigte ihnen, wie man es lud und wie man die leere Hülse herausnahm - er zeigte es ihnen immer und immer wieder, bis es sogar der Hilfskellner und die jungen Kellnerinnen hätten machen können. Dem Koch brach es das Herz, als er sah, mit welch gespannter Aufmerksamkeit Carmella dem alten Holzfäller zusah. Als Ketchum fertig war, hätte sogar Carmella das verdammte Gewehr laden und abfeuern können.
    Wie ernst die Vorführung war, begriffen alle erst, als Ketchum auf die zwei Munitionssorten zu sprechen kam. »Das hier ist Schrot. Die Ithaca sollte permanent mit einer Schrotpatrone geladen sein.« Ketchum hielt Paul Polcari seine große Hand vor das mehlbestäubte Gesicht. »Von da hinten aus, wo ich in der Küche gestanden habe, würde der Schrot auf einem hier befindlichen Ziel ein etwa so großes Muster hinterlassen.« Allmählich begriffen sie, worum es ging.
    »Ihr müsst halt sehen, wie es sich entwickelt. Wenn Carl eure Geschichte glaubt - und ihr müsst ihm alle dieselbe Geschichte erzählen -, dann verschwindet er vielleicht wieder, ohne dass es zu einem Zwischenfall kommt. Dann muss nicht geschossen werden«, sagte Ketchum.
    »Welche Geschichte meinst du?«, fragte der Koch seinen alten Freund.
    »Nun, sie handelt davon, wie du diese Dame hier sitzengelassen hast«, sagte Ketchum und wies auf Carmella. »Was nicht einmal ein Trottel tun würde, versteht sich, doch das hast du gemacht, und alle hier hassen dich deswegen. Wenn sie dich fänden, würden sie dich selbst gern umbringen. Hat jemand hier Schwierigkeiten, sich diese Geschichte zu merken?«, wollte Ketchum wissen. Alle schüttelten den Kopf, sogar der Koch, wenn auch aus einem anderen Grund.
    »Nur einer von euch muss hinten in der Küche sein«, fuhr Ketchum fort. »Ob der Cowboy das weiß, ist mir egal, er darf den Betreffenden nur nicht ganz sehen. Wer von euch hier hinten ist, kann mit Töpfen und Pfannen klappern, soviel er möchte. Wenn Carl ihn aber sehen will, und das wird er bestimmt, sagt der Betreffende einfach, er ist mit Kochen beschäftigt.«
    »Wer von uns soll denn mit der Flinte hinten in der Küche sein?«, wollte Paul Polcari wissen.
    »Das ist im Grunde egal, Hauptsache, jeder weiß, wie man mit

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