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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Hippietischler weit und breit nichts zu sehen.
    Als Danny das erste Mal ins Windham County gezogen war, hatte es auf der Nebenstraße zwischen Dummerston und der Putney School einen bissigen Hund gegeben. Danny hatte die Polizei gerufen - auch dieser Hundebesitzer war ähnlich aggressiv gewesen. Ein Polizist war gekommen, um mit dem Hundebesitzer zu reden, doch als der Hund den Beamten angriff, erschoss der ihn, gleich in der Einfahrt. »Was haben Sie zu dem Hundebesitzer gesagt?«, hatte Danny den Polizisten gefragt. (Jimmy hieß er, sie waren inzwischen befreundet.)
    »Ich hab ihm gesagt, er solle auf seinen Hund aufpassen«, hatte Jimmy geantwortet.
    Seither sagte Danny das immer, aber offenkundig fehlte ihm die Autorität des Polizisten. Jetzt lief er ohne weitere Zwischenfälle zum Haus der DeSimones, aber es störte Danny, dass er sein Tempo auf den letzten Meilen hatte drosseln müssen. Er erzählte Armando von den beiden Hunden und dem Hippietischler. »Ruf deinen Freund Jimmy an«, riet Armando, doch Danny erklärte ihm, dass der Polizist wahrscheinlich gezwungen wäre, beide Hunde zu erschießen.
    »Warum töten wir nicht wenigstens einen von ihnen?«, schlug Armando vor. »Vielleicht begreift der Hippietischler dann, was Sache ist.«
    »Das finde ich übertrieben«, sagte Danny. Ihm war klar, was Armando mit seinem Vorschlag, einen der Husky-Schäferhunde zu töten, meinte. Der Hund der DeSimones war ein reinrassiger Deutscher Schäferhundrüde namens Rooster, Gockel. Wenn andere Rüden in der Nähe waren, hatte Rooster schon als Welpe den Brustkorb vorgestreckt und war steifbeinig und drohend herumstolziert - daher der Name. Doch Rooster hatte nicht geblufft. Als erwachsenes Tier wurde er zum Hundekiller - Rooster hasste andere Rüden. Der eine der Hunde, die Danny angegriffen hatten, war auf jeden Fall ein Rüde. Bei dem zweiten Hund war sich der Schriftsteller nicht sicher, weil der ihn von hinten attackiert hatte.
    Armando DeSimone war nicht nur Dannys einziger »literarischer« Freund in Putney; er war ein echter Leser, und er und Danny stritten sich einigermaßen konstruktiv über ihre jeweilige Lektüre. Armando, der Danny an eine zivilisiertere Version von Ketchum erinnerte, war auch von Natur aus streitlustig.
    Danny neigte dazu, Auseinandersetzungen aus dem Weg zu gehen, was er immer wieder bedauerte. Menschen, die sich mit dem Schriftsteller anlegten oder stritten, gingen oft davon aus, er werde sich nie wehren; wenn Danny sich dann
doch
zur Wehr setzte - allerdings erst nach der dritten oder vierten Provokation -, waren sie erstaunt oder beleidigt. Danny hatte festgestellt: Gerade die Leute, die es sich angewöhnt hatten, ihn zu reizen oder zu quälen, reagierten immer empört, wenn ihnen klar wurde, dass der Schriftsteller darüber Buch geführt hatte.
    Armando führte nicht Buch. Wenn er angegriffen wurde, startete er einen Gegenangriff - beim ersten Mal. Danny fand das gesünder, besonders für einen Schriftsteller, doch er war von Natur aus nun mal kein Armande Und in dem ärgerlichen Fall der undisziplinierten Hunde ließ Danny Angel sich nur überreden, weil er Armandos Methode für besser hielt. (»Vielleicht begreift es der Hippietischler dann«, hatte Armando argumentiert.)
    Das ließ sich nur erreichen, wie der Schriftsteller hätte wissen müssen, wenn Rooster den Hippietischler biss. Doch so war Rooster nicht gestrickt; Rooster biss keine Menschen.
    »Nur
einen
Hund, Armando, versprich es«, hatte seine Frau Mary gesagt, als sie zu dritt mit Rooster in dem Auto saßen und zu Dannys Haus zurückfuhren.
    »Sag das Rooster -
er
soll dir das versprechen«, entgegnete Armando. Er war Boxer gewesen, früher, als Colleges und Universitäten noch Boxmannschaften hatten. Armando fuhr, Danny saß auf dem Beifahrersitz des VW-Käfers. Die offenbar leidgeprüfte Mary saß mit dem hechelnden Deutschen Schäferhund auf der Rückbank. Mary schien häufig mit der Streitlust ihres Mannes zu hadern oder sich darüber aufzuregen, doch wie Danny wusste, waren Armando und Mary ein beeindruckendes Paar -  im tiefsten Innern würden sie füreinander durchs Feuer gehen. Vielleicht war Mary Armando sogar ähnlicher als Armando selbst. Danny erinnerte sich an ihre Bemerkung, als ein Lehrer entlassen worden war - ein ehemaliger Kollege von Mary an der Grammar School und später von Armando an der Putney School.
    »Weil Gerechtigkeit so selten ist, freut man sich umso mehr darüber«, hatte Mary gesagt.

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