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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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einschließlich Josies, die nur
ein wenig
älter war. Es hatte da noch eine ältere Cousine aus der Saetta-Familie gegeben, Giuseppina, die Danny verführt hatte, aber auch Giuseppina war nicht die Erste gewesen.
    Nein, für dieses lehrreiche und höchst prägende Erlebnis hatte Filomena gesorgt, die jüngste Schwester seiner Mutter. Da war Danny erst vierzehn. War Filomena Ende zwanzig oder vielleicht doch schon dreißig gewesen, als die Rendezvous mit ihrem jungen Neffen begannen? Das fragte sich Danny, als es auf die letzten zwei Meilen seines Laufs zuging.
    Es war noch Mai. Die Kriebelmücken waren schlimm, aber nicht bei seinem Lauftempo, das er jetzt noch beschleunigte.
    Beim Laufen pochten ihm sein Herzschlag und sein Atem in den Ohren. Noch lauter, so kam es Danny vor, hatte sein Herz gepocht und noch heftiger waren seine Atemstöße gewesen, wenn er sich damals mit seiner wahnsinnigen Tante Filomena traf. Was hatte sie sich nur dabei gedacht? Sie hatte für Dannys Dad geschwärmt, doch der Koch hatte sie keines Blickes gewürdigt. Wie ihr Neffe sie anhimmelte - Danny konnte den Blick nicht von ihr wenden -, war das Filomena als annehmbarer Trostpreis erschienen?
    Sie war erst die zweite Frau in den Sippen der Saetta und Calogero gewesen, die studiert hatte, aber Filomena hatte
noch etwas
mit ihrer älteren Schwester Rosie gemeinsam, und zwar eine gewisse Eigenmächtigkeit in Bezug auf Männer. Filomena war noch kein Teenager gewesen - vielleicht 13, höchstens 14 -, als man Rosie nach Norden verbannte. Filomena hatte Rosie geliebt und bewundert - und erlebte dann, wie sie verstoßen und den jüngeren Mädchen der Familie als schlechtes Vorbild präsentiert wurde. Man schickte Filomena auf die Sacred Heart, eine katholische Mädchenschule in der Nähe des Paul Revere House am North Square. Man hatte sie vor Jungen so gründlich abgeschottet, wie es menschlich
und
seelisch nur irgend ging.
    Während Danny Angel bei seinem langen Lauf das Tempo anzog, überlegte er, dass sich seine Tante Filomena vielleicht deshalb mehr für ihn, einen Jungen, interessiert hatte als für
Männer.
(Den Witwer ihrer Schwester selig ausgenommen - doch Filomena musste gewusst haben, dass der Koch für sie unerreichbar war, ein unerfüllbarer Traum.) Danny, der sich noch nicht rasierte, hatte die langen Wimpern seines Vaters und die helle, fast durchscheinende Haut seiner Mutter. Und bestimmt hatte es auf Filomena Eindruck gemacht, wie der erst Vierzehnjährige seine hübsche, zierliche Tante vergötterte. Laut Dannys Dad hatten Filomenas Augen nicht das gleiche
tödliche
Blau wie die von Rosie; dennoch waren sie, von allem anderen ganz zu schweigen, gefährlich genug, um bei Danny bleibenden Schaden anzurichten. Zunächst einmal sorgte Filomena dafür, dass ihm
alle
Mädchen seines Alters uninteressant erschienen - bis er Katie kennenlernte.
    Der Koch und Ketchum hatten den voreiligen Schluss gezogen, dass Daniel in Katie etwas von seiner Mutter gesehen hatte. Doch es war eher die zornige junge Frau, die Kombination aus einer überbehüteten Jugend, Übermut und selbstzerstörerischen Impulsen, die der Junge in ihr gesehen hatte; Katie war eine jüngere, politischere Version seiner Tante Filomena. Der Unterschied zwischen beiden war, dass Filomena dem Jungen treu ergeben war, und ihre sexuellen Bemühungen, die jugendlichen Konkurrentinnen in Dannys Leben auszustechen, hatten durchschlagenden Erfolg. Da sie als Teenager ihre Sexualität nicht hatte ausleben können, war Filomena (mit Ende zwanzig und Mitte dreißig) geradezu sexbesessen. Als Danny Katie Callahan kennenlernte, war ihr Sex beinahe schon egal; dass sie eine Menge Sex hatte, hieß nicht, dass sie
Gefallen
daran fand. Als Danny sie kennenlernte, betrachtete Katie Sex bereits als eine Art
Verhandlungsmethode.
    In Dannys Internatsjahren nahm sich seine Tante Filomena fast jedes Wochenende ein Zimmer im Exeter Inn. Die Schäferstündchen in dem muffigen Backsteingebäude waren die eindeutigen Höhepunkte seines Lebens in Exeter und mit ein wichtiger Grund, weshalb der Junge an den Wochenenden so selten nach Hause ins North End fuhr. Freitag und Samstag waren die härtesten Abende im Vicino di Napoli, und Carmella und der Koch ackerten, während der Junge seine jugendliche Tante vögelte - gern in einem majestätischen Himmelbett, unter einem weiß durchscheinenden Baldachin. (Er war Langstreckenläufer; Läufer haben Stehvermögen.) Mit beträchtlicher und lasterhafter

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