Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
Schriftsteller und fuhr herum.
    »Ich bin doch hier, Daddy.«
    Da erst merkte Danny, dass der kleine Joe bei ihm im Schweinepferch war. Der Junge stand neben einem der schwarzrosa Schweine; dieses war wohl eben noch gelaufen, denn es war deutlich außer Atem, auch wenn es jetzt ganz still dastand. Es drehte nur den Kopf in Richtung des Jungen, der das Ohr des Tieres gepackt hatte. Vielleicht genoss das Tier es, dass sein Ohr massiert oder leicht daran gezogen wurde. Wie auch immer, je mehr der Zweijährige das Ohr streichelte, desto mehr neigte das Schwein den Kopf in seine Richtung.
    »Schweine haben komische Ohren«, sagte der Junge.
    »Joe, komm sofort da raus«, sagte sein Dad. Er hatte wohl unwillkürlich lauter gesprochen, denn das Schwein riss ruckartig den Kopf in Dannys Richtung, als sei es über diese Unterbrechung seiner Ohrmassage äußerst ungehalten. Nur ein flacher Futtertrog stand zwischen ihnen, und das Schwein zog die Schultern auf beiden Seiten seines gewaltigen Schädels hoch und stierte Danny an. Der wich nicht von der Stelle, bis er sah, dass Joe unbehelligt zwischen den Zaunlatten nach draußen geklettert war.
    Das Drama mit der Fallschirmspringerin und anschließend mit Joe hatte verhindert, dass Danny bemerkte, wie tief das Kleinflugzeug inzwischen kreiste. Pilot und Kopilot wollten wohl sichergehen, dass Amy gut gelandet war, doch Amy zeigte dem Flugzeug den beziehungsweise beide Stinkefinger, und das Flugzeug senkte wie zum Gruß die eine Tragfläche, ehe es in Richtung Cedar Rapids zurückflog.
    »Willkommen auf der Buffalo Creek Farm«, hatte Rolf die Fallschirmspringerin begrüßt. Leider hatte Danny diesen Moment ebenfalls verpasst - wie nämlich Amy den Fotografen an den Schultern gepackt und ihm eine Kopfnuss auf Stirn und Nasenwurzel verpasst hatte. Rolf wankte rückwärts und ging unweit der Stelle zu Boden, wo Amy zuerst die Erde berührt hatte.
    Den bärtigen Maler streckte sie mit einer Links-Rechts-Kombination zu Boden. »Ich springe nicht auf
Schweine!«,
schrie sie die beiden noch stehenden Maler an.
    »Wer von euch
Künstlern
holt mir meinen Fallschirm da raus?«, fragte sie und zeigte auf den Schweinepferch. Inzwischen hatten sich die Schweine beruhigt, am Zaun versammelt und betrachteten wieder die Künstlerbagage, wobei ihre Schnauzen durch den Lattenzaun ragten. Das Schwein, dessen Ohr zu seiner offensichtlichen Zufriedenheit gestreichelt worden war, ließ sich von den anderen nicht mehr unterscheiden. Weit draußen im Dreck lag der zertrampelte, rotweißblaue Fallschirm wie eine in der Schlacht gefallene Kriegsflagge.
    »Der Farmer hat uns verboten, den Schweinepferch zu betreten«, ergriff einer der Malerstudenten das Wort.
    Danny trug Joe zu Katie. »Du solltest ihn doch halten«, sagte er zu ihr.
    »Er hat mich vollgepinkelt, als du in den Pferch gestiegen bist«, sagte Katie.
    »Er hat eine Windel um«, teilte Danny ihr mit.
    »Trotzdem hab ich gespürt, wie nass er war.«
    »Du hast ihn nicht mal im Auge behalten.«
    Amy hielt den Maler, der gesprochen hatte, im Schwitzkasten. »Ich hol dir deinen Scheißfallschirm«, sagte Katie plötzlich zu ihr.
    »Du kannst da nicht rein«, widersprach Danny.
    »Sag du mir nicht, was ich tun kann oder nicht, du
Held«,
gab sie zurück.
    Katie war schon immer auf Konkurrenz aus gewesen. Zuerst hatte die nackte Fallschirmspringerin die Aufmerksamkeit der Kunststudenten auf sich gezogen, dann hatte ihr Mann mit seiner waghalsigen Tat ihr die Schau gestohlen. Doch natürlich wollte Katie sich in erster Linie nackt ausziehen. »Ich will bloß nicht, dass Schweinescheiße an meine Klamotten kommt, wenn du keine Einwände hast«, sagte sie zu Danny. Dann reichte sie ein Kleidungsstück nach dem anderen dem einzigen Maler, den die schlammbesudelte Fallschirmspringerin nicht angefasst hatte. »Ich würde sie ja dir geben«, teilte sie Danny mit, »aber du bist von oben bis unten mit Scheiße beschmiert - du solltest dich mal sehen.«
    »Es wäre nicht gut, wenn dir vor Joe etwas zustoßen würde«, sagte Danny zu ihr.
    »Wieso?«, fragte sie. »Ein Zweijähriger vergisst so was. Nur du nicht - du Schriftstellerdepp.«
    Als er sie so nackt und trotzig sah, merkte Danny, dass er jetzt genau das an Katie abstoßend fand, was ihn früher an ihr gereizt hatte. Ihre Schamlosigkeit hatte er mit sexueller Offenheit verwechselt; sie war ihm sexy und progressiv erschienen, dabei war Katie lediglich vulgär und unsicher. Was Danny einst an seiner

Weitere Kostenlose Bücher