Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
geht hier vor, dachte Danny, doch damit meinte er nicht das Flugzeug, sondern Katie und Rolf. Dann fiel Danny auf, dass die drei Maler an der Feuerstelle ebenfalls miteinander flüsterten; auch sie ließen das Flugzeug nicht aus den Augen.
    Joe wollte hochgehoben werden - vielleicht hatte ihn die Größe der Schweine eingeschüchtert. Zwei der Schweine waren schlammig rosa, doch die anderen hatten schwarze Flecke. »Die sehen aus wie rosa-schwarze Kühe«, sagte Danny zu Joe.
    »Nein, das sind
Schweine.
Keine Kühe«, widersprach der Junge.
    »Klar«, sagte Danny. Katie kam zu ihnen.
    »Guck dir die Schweine an, Mommy«, sagte Joe.
    »Igitt«, sagte sie. »Behalt das Flugzeug im Auge«, sagte Katie zu ihrem Mann. Sie ging wieder, einen Schwall Marihuana hinter sich herziehend; offenbar hing der Geruch in ihren Haaren. Danny hatte sie nicht kiffen sehen - nicht einen einzigen Zug -, doch sie hatte wohl einen durchgezogen, während er Joe die Windeln wechselte. »Sag dem Kind, es soll das Flugzeug im Auge behalten«, sagte Katie im Gehen. Wie Katie Joe
das Kind
nannte, hörte sich irgendwie falsch an, dachte Danny. Als wäre Joe das Kind einer anderen, so hörte es sich an.
     
    Das Kleinflugzeug hatte inzwischen seine Flughöhe erreicht und schwebte hoch am Himmel, direkt über der Farm. Es schien langsamer zu fliegen, als hinge es genau über ihnen in der Luft, fast bewegungslos. »Wir sollen das Flugzeug im Auge behalten«, sagte Danny seinem kleinen Sohn und küsste ihn auf den Hals, während er selbst stattdessen seine Frau im Auge behielt. Sie hatte sich zu den um die Feuerstelle versammelten Malern gesellt; Rolf war auch dabei. Sie beobachteten das Flugzeug in gespannter Erwartung, doch weil Danny sie beobachtete, verpasste er den Augenblick.
    »Kein Vogel«, hörte er Joe sagen. »Fliegt nicht.
Fällt!«
    Als Danny schließlich hochsah, wusste er nicht recht, was da genau aus dem Flugzeug gefallen war, doch es sank schnell und kam direkt auf sie zu. Als sich der Fallschirm öffnete, johlten die Maler und Rolf. (Die Scheißmaler hatten zur Unterhaltung einen Fallschirmspringer engagiert, dachte Danny.)
    »Was fällt da vom Himmel?«, fragte Joe seinen Dad.
    »Ein Fallschirmspringer«, antwortete Danny.
    »Was
für ein Springer?«, sagte der Zweijährige.
    »Ein Mensch mit einem Fallschirm.« Diese Antwort half dem Kleinen auch nicht weiter.
    »Ein
was?«
    »Ein Fallschirm verhindert, dass der Mensch zu schnell fällt - damit sich der Mensch nicht weh tut«, erklärte Danny, doch Joe umklammerte fest seinen Hals. Danny roch das Marihuana, ehe er merkte, dass Katie neben ihnen stand.
    »Wartet nur ab - nicht wegsehen«, sagte sie und entschwand wieder.
    »Irgendwas am
Himmel«,
sagte Joe. »Ein Fall- ...
was?«
»Ein Fallschirmspringer, ein Fallschirm«, wiederholte Danny. Joe schaute einfach mit offenem Mund zu, während der Fallschirm auf sie zutrieb. Es war ein großer Schirm in den Farben der amerikanischen Flagge.
    Die Brüste des Fallschirmspringers waren der erste Hinweis. »Es ist eine Frau«, stellte der kleine Joe fest.
    »Das stimmt«, sagte sein Vater.
    »Wo sind ihre Kleider geblieben?«, fragte Joe.
    Alle sahen jetzt hin, sogar die Schweine. Danny hatte nicht mitbekommen, wann die Schweine die Fallschirmspringerin bemerkt hatten, doch jetzt ließen sie sie nicht mehr aus den Augen. Anscheinend waren sie es nicht gewohnt, dass fliegende Menschen auf sie herabfielen - ganz zu schweigen von dem riesigen Fallschirm, der inzwischen einen Schatten auf ihren Pferch warf.
    »Frau Himmel, Lady Sky!«, schrie Joe und zeigte auf die nackte Fallschirmspringerin.
    Als das erste Schwein quiekend davonlief, schnaubten alle anderen Schweine und rannten hinterher. In diesem Moment sah Lady Sky wohl, wo sie landen würde - im Schweinepferch. Die Fallschirmspringerin fing wütend an zu fluchen.
    Jetzt sahen sogar die Betrunkenen und Bekifften, dass sie nackt war. Scheißkunststudenten!, dachte Danny. Natürlich konnten sie nicht einfach nur eine Fallschirmspringerin engagieren, sie musste auch noch nackt sein. Katie gab sich gleichgültig - gut möglich, dass sie neidisch war. Als sie merkte, dass die Fallschirmspringerin nackt war, wünschte Katie sich vielleicht an ihre Stelle. Wahrscheinlich passte es Katie gar nicht, dass sie auf dem Grillabend der Kunststudenten nicht das einzige Nacktmodell war.
    »O Gott, sie landet noch in dem beschissenen Schweinepferch!«, sagte Rolf gerade. Hatte er das jetzt erst gemerkt?

Weitere Kostenlose Bücher