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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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auf seine Mutter.
    »Verstehst du jetzt, was ich meine?«, fragte Katie den Fotografen.
    Danny ahnte noch nichts von Katies Plänen, einen weiteren dummen Jungen vor dem Vietnamkrieg zu retten; auch das würde sie ihm erst in ein paar Tagen eröffnen. Doch als Danny dann von Katies Absichten erfuhr, musste er daran denken, wie Rolf bei dem Grillfest mit dem kleinen Joe zu kommunizieren versucht hatte. Auch wenn Rolf durchaus dumm genug wirkte, um gerettet werden zu müssen, passte der Bart nicht recht zu dem, was Danny sich unter einem
Jungen
vorstellte. Danny würde den »Jungen« nie kennenlernen, der Katies nächster Kennedy-Vater wurde, aber irgendwie stellte er ihn sich nicht bärtig vor.
    Die drei malenden Studenten umkreisten die Feuerstelle mit dem darüber brutzelnden Schwein. Danny und Joe standen daneben.
    »Wir haben das Scheißfeuer vor Sonnenaufgang angezündet«, sagte einer der Maler zu Danny.
    »Das Schwein ist immer noch nicht durch«, sagte ein anderer Maler; auch er hatte einen Bart, weshalb Danny ihn sich genauer ansah.
    Sie hatten »ein großes, prasselndes« Holzfeuer gemacht (wie der bärtige Maler sich ausdrückte), und als nur noch Holzkohle übrig war, hoben sie den Rost eines Doppelbetts auf die Feuerstelle, den sie zwischen anderem Müll in der Scheune gefunden hatten. Sie hatten das Schwein auf den glühend heißen Rost gelegt, doch jetzt gelang es ihnen nicht, neues Holz darunterzuschieben, und bei dem Versuch, den Rost hochzuheben, zerfiel das halbgebratene Schwein in seine Einzelteile. Weil das Schwein so fürchterlich zugerichtet war, wollte Danny es Joe lieber nicht zeigen - schließlich waren
lebende
Schweine anwesend. (Aber die Sauerei auf dem kokelnden Bettrost sah nicht wie ein
richtiges
Schwein aus - jedenfalls nicht mehr. Und für Joe schon gar nicht.)
    »Wir müssen halt warten, bis das Schwein durch ist«, teilte der dritte Maler Danny gelassen mit.
    Joe hielt die Hand seines Dads ganz fest. Der Junge traute sich nicht in die Nähe der schwelenden Feuerstelle; schlimm genug, dass da ein Loch im Boden war, aus dem Qualm kam.
    »Willst du dir die Schweine ansehen?«, fragte Joe und zerrte an der väterlichen Hand.
    »Na klar«, sagte Danny.
    Anscheinend ahnten die eingepferchten Schweine nicht, dass eins von ihnen gerade gegrillt wurde. Sie guckten einfach nur durch den Lattenzaun auf die vielen Leute. Jeder Bewohner von Iowa, den Danny kannte, hatte immer betont, man müsse sich gegenüber Schweinen vorsehen. Angeblich waren Schweine sehr intelligent, doch die älteren konnten gefährlich werden.
    Der Schriftsteller fragte sich, wie man wohl die älteren von den jüngeren Schweinen unterschied - vielleicht einfach anhand der Größe. Doch die Schweine in dem Pferch sahen alle riesig aus. Das auf der Feuerstelle war bestimmt ein Spanferkel, dachte Danny, ein Schweinchen, keins von den gewaltigen Viechern.
    »Was hältst du von denen?«, wollte Danny von dem kleinen Joe wissen.
    »Große Schweine!«, antwortete der Junge.
    »Stimmt«, sagte sein Dad.
»Große
Schweine. Fass sie nicht an, sie beißen nämlich. Streck die Hände nicht durch den Zaun, okay?«
    »Sie beißen«, wiederholte der Junge ernst.
    »Du kommst ihnen nicht zu nah, okay?«, sagte sein Vater.
    »Okay«, sagte Joe.
    Danny sah zu den drei Malern hinüber, die um die schwelende Feuerstelle herumstanden. Sie betrachteten nicht mehr das brutzelnde Schwein, sondern schauten in den Himmel hoch. Auch Danny sah nach oben. Am Horizont nördlich der Schweinefarm war ein kleines Flugzeug aufgetaucht. Es war im Steigflug - das Motorengeräusch war noch nicht zu hören. Die Schweinefarm lag südlich von Cedar Rapids, wo es einen Flugplatz gab; vielleicht war das Flugzeug dort gestartet. »Flugzeug. Kein Vogel«, hörte Danny Joe sagen. Auch der Junge schaute nach oben.
    »Ja, ein Flugzeug. Kein Vogel«, wiederholte sein Dad.
    Rolf kam vorbei und goss mehr Rotwein in Dannys Milchglas. »Es gibt übrigens Bier - ich habe irgendwo welches in einer Wanne mit Eis gesehen«, sagte der Fotograf. »Du bist doch Biertrinker, stimmt's?«
    Danny fragte sich, woher Rolf das wusste; Katie musste es ihm gesagt haben. Er sah, wie der Fotograf ihr die Weinflasche brachte. Ohne nach oben zu sehen, wies Rolf mit der Flasche in Richtung Himmel, woraufhin Katie das Flugzeug beobachtete. Man konnte es jetzt hören, obwohl es sehr hoch flog - zu hoch für einen Agrarflieger, vermutete Danny.
    Rolf flüsterte Katie etwas ins Ohr. Irgendetwas

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