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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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den Twisted River runterschicken«, sagte der Koch. »Dann braucht man auch keinen Damm mehr an der Stelle, wo der Fluss in den Stausee fließt. Doch der Pontook-Damm am Androscoggin River wird vermutlich bleiben.«
    »Eines
nicht mehr fernen
Tages, Cookie«, verbesserte Ketchum seinen Freund. Er hatte die Augen geschlossen, Kopf, Brustkorb und beide Arme auf die Anrichte gelegt. Der Koch nahm wortlos den leeren Teller weg, doch Ketchum schlief nicht; er sprach nur noch langsamer als vorher. »Auf einer Seite des Damms gibt es eine Art Überlauf. Das Wasser bildet einen Tümpel - sieht fast aus wie eine offene Quelle -, allerdings mit einer Sperrvorrichtung oder schwimmenden Barriere - ein Tau mit Schwimmern, damit die Stämme nicht reintreiben.«
    »Klingt, als könntest du dich
genauso gut
daran erinnern wie ich«, sagte der Koch.
    Dort hatten sie seine Mutter gefunden, das wusste Danny. Ihre Leiche hatte tiefer im Wasser gelegen als die Stämme; offenbar war sie unter der Barriere hindurch und in den Überlauf getrieben. Ketchum hatte sie in dem Tümpel gefunden - ganz allein, es war kein einziger Stamm in ihrer Nähe.
    »Ich weiß nicht recht, wie man
dahin
kommt«, sagte Ketchum ziemlich verdrossen, mit immer noch geschlossenen Augen.
    Langsam bog er die Finger seiner rechten Hand nach unten, bis die Fingerspitzen beinahe die Unterseite des Gipses berührten. Dem Koch und seinem Sohn war klar, dass der Holzfäller sein Schmerzempfinden testete.
    »Das kann ich dir zeigen, Ketchum«, sagte Dominic sanft. »Du musst entweder auf dem Damm oder über die Stämme gehen - weißt du noch?«
    Der Koch hatte eins der Klappbetten in die Küche gebracht. Er nickte seinem Sohn zu, und der half ihm, das Bett aufzubauen - nicht zu nahe an den Herden und auch nicht zu nah an der nach innen aufgehenden Fliegengittertür. »Ich will auch in der Küche schlafen«, quengelte Danny.
    »Wenn du raufgehst, außer Hörweite, schläfst du vielleicht sogar wieder ein«, sagte Dominic zu seinem Sohn.
    »Ich will aber zuhören«, sagte Danny.
    »Das Gespräch ist fast vorbei«, flüsterte der Koch dem Jungen ins Ohr und gab ihm einen Kuss.
    »Verlass dich nicht drauf, Cookie«, sagte Ketchum mit geschlossenen Augen.
    »Ich muss noch backen, Ketchum - und könnte auch schon mit den Kartoffeln anfangen.«
    »Ich hab schon erlebt, wie du gleichzeitig gekocht und geredet hast«, entgegnete Ketchum.
    Der Koch sah seinen Sohn streng an und zeigte in Richtung Treppe. »Oben ist es aber kalt«, protestierte Danny. Der Junge blieb auf der untersten Stufe stehen, wo die Bratpfanne lag.
    »Häng die Pfanne bitte wieder an ihren Platz, wenn du nach oben gehst, Daniel.«
    Widerstrebend ging der Junge hoch, machte aber auf jeder Stufe halt und lauschte, wie sein Vater mit den Rührschüsseln hantierte. Er musste nicht hinsehen, um zu wissen, was sein Dad gerade machte. Als Erstes bereitete der Koch immer das Bananenbrot zu. Während Danny die Bratpfanne an den Haken im Schlafzimmer seines Vaters hängte, zählte er mit, wie sechzehn Eier aufgeschlagen wurden und in die Schüssel aus rostfreiem Stahl fielen; dann kamen die pürierten Bananen und die gehackten Walnüsse dazu. (Manchmal garnierte sein Dad das Brot auch mit warmen Äpfeln.) Als Nächstes bereitete der Koch die Scones zu, gab die Eier und die Butter zu Mehl und Salz und den anderen trockenen Zutaten - zum Schluss noch Obst, wenn er welches hatte. Aus dem Flur im ersten Stock hörte Danny, wie sein Vater die Muffinförmchen einfettete, die er dann mit Mehl bestäubte, ehe er die Maismuffin-Mischung in die Förmchen gab. In dem Bananenbrot waren Haferflocken und süße Kleie, was der Junge auf seinem Zimmer bald riechen konnte.
    Unter den Bettdecken war es warm, und dort hörte Danny, wie die Herdtüren geöffnet und die Backbleche und Muffinförmchen in den Herd geschoben wurden. Dann schlossen sich die Herdtüren. Das ungewohnte Geräusch, das bewirkte, dass der Junge die Augen aufschlug und sich im Bett aufsetzte, war das Ächzen seines Vaters, der sich abmühte, Ketchum hochzuheben. Er packte den schweren Mann unter beiden Armen und schleifte ihn zum Klappbett. Danny hatte nicht gewusst, dass sein Dad stark genug war, um Ketchum hochzuheben. Leise schlich der Zwölfjährige wieder die Treppe hinunter und beobachtete, wie sein Vater Ketchum auf das Bett hievte, wo er ihn mit einem der offenen Schlafsäcke zudeckte.
    Dominic Baciagalupo verteilte gerade die Kartoffeln auf dem Backblech, als

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