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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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sein Sohn sich auf das Chaos einer neuerlichen Flucht einstellen mussten, konnte Roland Drakes Anschlag auf Dannys sechsten Roman die Veröffentlichung von
Jenseits von Bangor
um einige Monate verzögern - vielleicht sogar um ein halbes Jahr. Der Roman sollte eigentlich im Herbst 1983 erscheinen. (Das war wohl illusorisch - eventuell würde das Buch erst im Winter 1984 erscheinen. Bei all den Umwälzungen in Dannys Leben würde er eine Weile brauchen, um sich an die Änderungen in den Fahnen zu erinnern und um das letzte Viertel des Romans Korrektur zu lesen.)
    »Den dämlichen Titel überarbeiten!«, hatte Drake tiefschwarz auf die Titelseite von
Jenseits von Bangor
gekritzelt. »Den getürkten Namen des Autors ändern!«
    Auch wenn die Kommentare des Schriftstellertischlers weder von großer Kompetenz noch von tiefschürfenden Erkenntnissen zeugten, so hatte Drake in dem ganzen Roman, und zwar in Rot, auf jeder der über 400 Seiten eine Formulierung unterstrichen oder ein Wort umkringelt und eine kryptische Bemerkung hinzugefügt, wenn auch immer nur eine pro Seite. »Das ist Kacke!« oder »Überarbeiten!« waren die häufigsten, außerdem »Streichen!« oder »Hundemörder!«. Seltener kamen »Schwach!« und »Dürftig!« vor. Mehr als einmal hatte Drake »Langatmig!« über die ganze Seite geschmiert. Zweimal nur, aber unvergesslich für Danny, hatte Drake geschrieben: »Ich hab Franky auch gefickt!« (Vielleicht, überlegte sich der Bestsellerautor erst jetzt, hatte Drake
wirklich
mit Franky geschlafen; das könnte zu seiner feindseligen Haltung ihm gegenüber beigetragen haben.)
    »Sieh mal, Jimmy«, sagte Danny zu dem Polizisten und reichte ihm die beschmierten Druckfahnen.
    »O Mann ... bestimmt bedeutet das für dich Mehrarbeit«, sagte Jimmy beim Umblättern. »>Den Mist würde nicht mal
Year of the Dog
drucken!««, las der Polizist laut vor und versuchte, sich seine Verwirrung nicht anmerken zu lassen. Jimmy schien immer zu leiden, wenn er etwas nicht verstand - er sah dann gleichzeitig untröstlich und verdutzt aus. Dieser Cop, der eine ganze Reihe Hunde erschossen hatte, besaß selbst die traurigen, schwermütigen Augen eines Labradors; der große und dünne Polizist mit dem länglichen Gesicht sah Danny fragend an, suchte nach einer Erklärung für Roland Drakes Furor.
    »Year of the Dog
war eine kleine literarische Zeitschrift«, erklärte Danny. »Entweder wurde sie vom Windham College herausgegeben oder von irgendwelchen Studenten dort unabhängig verlegt - ich weiß es nicht mehr.«
    »Franky ist eine junge Frau?«, fragte Jimmy, der weitergelesen hatte.
    »Ja«, antwortete der Schriftsteller.
    »Die junge Frau, die eine Zeitlang hier gewohnt hat - die ist es, oder?«
    »Genau die, Jimmy.«
    »>Du schreibst, als würdest du hinken!««, las Jimmy laut vor. »Also echt...«
    »Drake sollte seinen Hund selbst beerdigen, meinst du nicht auch, Jimmy?«, fragte Danny den Polizisten.
    »Ich bringe Roland seinen Hund zurück. Dann unterhalten wir uns ein wenig«, sagte Jimmy. »Du könntest eine einstweilige Verfügung erwirken...«
    »Ich brauche keine, Jimmy - ich ziehe ja weg«, erinnerte ihn Danny.
    »Ich weiß, wie man mit Roland reden muss«, sagte der Cop.
    »Pass bloß auf den anderen Hund auf, Jimmy - der greift einen von hinten an.«
    »Ich erschieße ihn nicht, wenn es nicht sein muss, Danny - ich erschieße Hunde nur, wenn's gar nicht anders geht«, sagte der Polizist.
    »Ich weiß.«
    »Kann man sich kaum vorstellen, dass einer deinem Dad was antun will«, meinte Jimmy. »Es kommt mir absurd vor, dass jemand mit dem Koch eine Rechnung offen haben sollte. Möchtest du mir davon erzählen, Danny?«
    Wieder war er an einer Wegkreuzung angekommen, dachte Danny. Was waren das eigentlich für Kreuzungen, diese verlockenden Möglichkeiten, den bisher eingeschlagenen Weg zu verlassen und scharf nach links oder nach rechts abzubiegen? Hatten Danny und sein Dad nicht die Gelegenheit gehabt, nach Twisted River zurückzukehren, als wäre Indianer-Jane nie etwas geschehen? Und dann war da natürlich der Fehler, Paul Polcari mit Ketchums Flinte in die Küche des Vicino di Napoli zu stellen - statt jemanden, der auch tatsächlich abgedrückt hätte!
    Also, bot sich nicht jetzt eine neue Chance, dieser Bredouille zu entkommen? Erzähl Jimmy einfach
alles!
Von Indianer-Jane, von Sixpack-Pam, von Carl - von dem Hilfssheriff im Ruhestand mit seinem langläufigen 45er-Colt, diesem verfluchten Cowboy! Welchen

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