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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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empfunden, dass Danny ihn nicht wiedererkannt hatte.
    »Ja, ich kenne Roland Drake«, sagte Danny zu Jimmy. Dann erzählte er dem Polizisten die ganze Geschichte, auch den Teil, wie Rooster den Hund getötet hatte, der jetzt starr auf dem Esstisch lag. An Dannys getippter Notiz erkannte Jimmy, dass der Schriftsteller versucht hatte, mit dem Hippiearschloch Frieden zu schließen. Der
Schriftstellertischler,
wie Armando ihn genannt hatte, wusste nicht, wann wirklich Schluss sein musste - genauso wenig wie Roland Drake wusste, dass Überarbeiten Schreiben
war
und dass es das Kreativste daran sein konnte.
    Danny und Jimmy gingen durch die anderen Zimmer, knipsten hier Lampen aus, machten da Ordnung. In Joes Bad war die Badewanne gefüllt worden. Das Wasser war kalt, doch es gab kein Chaos, keine Überschwemmung. In Joes Schlafzimmer war ein Foto seiner Ringermannschaft von dem Haken an der Wand genommen und (gegen ein Kissen gelehnt) an das Kopfende des Bettes gestellt worden. In Dannys Badezimmer hing eines seiner Sakkos auf einem Kleiderbügel an der Duschvorhangstange; in der ansonsten leeren Wanne fand er seinen Elektrorasierer und ein Paar Abendschuhe. Sämtliche Handtücher stapelten sich am Fuß des Bettes in seinem Schlafzimmer.
    »Drake ist bloß ein Quälgeist, Danny«, sagte der Polizist. »Ein kleiner Scheißer mit einem Treuhandfonds als Sicherheitsnetz - solche Leute wagen es nie, echten Schaden anzurichten, weil sie wissen, dass letzten Endes ihre Eltern die Zeche zahlen mussten.«
    Die gleichen mutwilligen kleinen Störungen fanden sich überall, im ganzen Haus. Als sie in der Garage das Licht ausmachen wollten, fand Danny auf dem Fahrersitz von Joes Wagen eine Tube Zahnpasta; hinter der Sonnenblende klemmte eine Zahnbürste.
    Im Gästehaus, dem ehemaligen Farmhaus, gab es noch mehr dieser Dummejungenstreiche - die Musik lief hier in voller Lautstärke und der Fernseher ohne Ton. Lampen waren umgekippt worden, den Küchentisch schmückte eine Pyramide aus Lampenschirmen, etliche Bilder hingen verkehrt herum, und die Betten waren zerwühlt, als hätte jemand darin geschlafen.
    »Das ist zwar ärgerlich, aber in erster Linie kindisch«, sagte Danny zu dem Polizisten.
    »Sehe ich auch so«, erwiderte Jimmy.
    »Ich verkaufe das ganze Anwesen ohnehin«, sagte ihm Danny.
    »Hoffentlich nicht
deswegen«,
meinte Jimmy.
    »Nein, aber das erleichtert es mir«, antwortete Danny. Weil er wusste, dass er wegzog und das Anwesen in Putney verkaufen musste, empfand er Roland Drakes Verletzung seiner Privatsphäre vielleicht weniger als den Übergriff, der er war - aber nur bis Danny und Jimmy den Schreibschuppen des berühmten Schriftstellers betraten. Ja, alle Lampen brannten und ein paar Unterlagen lagen am falschen Ort, doch hier hatte Drake den Bogen überspannt und echten Schaden angerichtet.
    Danny war zurzeit dabei, die Druckfahnen von
Jenseits von Bangor
Korrektur zu lesen. Von dem ständigen Bedürfnis des Schriftstellers, seine Texte zu
überarbeiten -
umzuschreiben, zu korrigieren -, zeugten eine Vielzahl von Anmerkungen und Fragen auf den Seitenrändern der Fahnen. Dieser Anblick, der belegte, dass Danny Angel ein Schriftsteller und Überarbeiter war, musste für einen
gescheiterten
Schriftsteller (einen Schriftstellerisch/er) wie Roland Drake unerträglich gewesen sein. Die Überarbeitungen in den Fahnen von Dannys kurz vor der Veröffentlichung stehendem Roman hatten Drake endgültig ausrasten lassen.
    Mit einem Filzstift, einem tiefschwarzen Permanentmarker, hatte Roland Drake auf dem Deckblatt der unkorrigierten Fahnen von
Jenseits von Bangor
herumgekritzelt, und auf jeder Seite hatte er mit einem feinen roten Filzstift Kommentare abgegeben. Die Bemerkungen des Schriftstellertischlers waren zwar weder aufschlussreich noch durchdacht, doch Drake hatte sich die Zeit genommen, jede einzelne Seite zu besudeln;
Jenseits von Bangor
hatte über 400 Seiten. Danny hatte drei Viertel des Romans Korrektur gelesen und dabei - trotz seiner Neigung zum Überarbeiten - auf gerade einmal 15 oder 20 der Seiten Anmerkungen oder Fragen notiert. Roland Drake hatte sie durchgestrichen, die Korrekturen des Autors unleserlich gemacht. Es war eine mutwillige Sabotage, doch das hätte für Danny unter normalen Umständen gerade einmal zwei Wochen zusätzlicher Arbeit bedeutet, allerhöchstens, auch wenn Drakes Verwüstung der Druckfahnen mehr zu sein schien als ein nur symbolischer Angriff.
    Aber in dem Moment, wo der Koch und

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