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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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zurückgefahren war. Auch wenn der Holzfäller das sagte, um seinen alten Freund zu verteidigen, so reagierte Danny anfänglich kaum anders als sein Dad, mit dem einzigen Unterschied, dass Danny und Charlotte davon sprachen, welche Veränderungen sie vornehmen würden, spätestens wenn Charlottes Vater dereinst nicht mehr lebte und ihre Mutter nicht mehr ins Boot steigen oder die zerklüfteten Felsen von der Anlegestelle zum Haupthaus hinaufgehen könnte.
    Danny schrieb seine Bücher nach wie vor auf einer altmodischen elektrischen Schreibmaschine; er besaß ein halbes Dutzend ibm Selectrics, die ständig repariert werden mussten. Für seine Schreibmaschinen brauchte er Strom. Charlotte wollte heißes Wasser - schon lange träumte sie von luxuriösen Dingen wie einer Außendusche und einer Badewanne in Übergröße -, von mehreren Klosetts ganz zu schweigen. Ein wenig Elektrowärme wäre auch nett, wie Danny und Charlotte fanden, weil es hier im Norden selbst im Sommer nachts manchmal kühl wurde, und schließlich würden sie bald ein Baby bekommen.
    Außerdem wollte Danny einen »Schreibschuppen« bauen, wie er das nannte, wobei er vermutlich an die umgebaute Scheune dachte, in der er in Vermont geschrieben hatte, und Charlotte wollte eine riesige, mit Fliegengitter geschützte Veranda errichten, damit man trockenen Fußes und unbehelligt von den Mücken, die nach Einbruch der Dunkelheit eine Plage waren, vom Haupthaus zu den beiden Schlafhütten kam.
    Mit anderen Worten, Danny und Charlotte hatten auf der Insel einiges vor - so wie bei Verliebten üblich. Seit sie ein kleines Mädchen war, hatte Charlotte die Sommer auf der Insel genossen; und Danny schwärmte für die Insel wegen des Lebens mit Charlotte, das er sich hier vorstellte.
     
    Pläne, Pläne, Pläne - wir schmieden Pläne für die Zukunft, als würde diese Zukunft garantiert eintreffen! Und das verliebte Paar wartete nicht darauf, dass Charlottes Vater starb oder ihre Mutter körperlich nicht mehr in der Lage war, die Entbehrungen des Lebens auf einer Insel im Huron-See auf sich zu nehmen. Im Lauf der nächsten zwei Jahre bekamen Danny und Charlotte Strom, Spülklosetts und Heißwasser - sogar Charlottes Außendusche
und
ihre extra große Badewanne, von der gewaltigen Veranda ganz zu schweigen. Es gab auch noch ein paar andere, von Ketchum vorgeschlagene »Optimierungen«, wie er sich ausdrückte. Im Sommer 1984 war Ketchum muntere 67 gewesen - jung genug, um selbst noch den einen oder anderen Plan zu schmieden.
    In jenem Sommer hatte Ketchum den Hund mitgebracht. Von der Sekunde an, als das brave Tier seine Pfoten auf den Hauptanleger der Insel setzte, war es so wachsam wie ein Eichhörnchen gewesen. »Hier muss irgendwo ein Bär sein - Hero kennt sich mit Bären aus«, sagte Ketchum. Am Nacken des Hundes stand eine Fellkante steil ab; der Hund klebte wie ein Schatten an Ketchum. Hero war kein Hund, den man tätscheln wollte.
    Ketchum war kein Sommermensch; er angelte nicht und alberte nicht mit Booten herum. Der ehemalige Flößer schwamm nicht gern. Ketchum stellte sich Georgian Bay und Turner Island im Herbst und in den langen Wintern vor, und wenn im Frühling das Eis brach. »Hier gibt's bestimmt jede Menge Hirsche«, erklärte er, sobald er aus dem Boot gestiegen war. Er blieb noch eine Weile auf dem Bootssteg stehen, ehe er seine Sachen aufhob. Er schien in der Luft nach Bären zu schnuppern, genau wie sein Hund.
    »Indianerland«, stellte Ketchum anerkennend fest. »Na ja, wenigstens
war
es das mal - bevor die verdammten Missionare sich dranmachten, die Scheißwälder zu
christianisieren.«
Als Junge hatte er die alten Schwarzweißfotos einer schwimmenden Faserholzsperre in Gore Bay gesehen, auf Manitoulin Island. Das Holzgeschäft um die Georgian Bay herum hatte wohl gegen 1900 seinen Höhepunkt erreicht, aber Ketchum kannte die Geschichte der Region, und er hatte sich die jährlichen Holzeinschlagzyklen eingeprägt. (In den Herbstmonaten fällte man die Bäume, baute die Straßen und bereitete die Bäche für die Trift im Frühjahr vor - alles vor dem ersten Schneefall. Im Winter fällte man noch mehr Bäume, und man beförderte die Stämme auf Wagen oder Schlitten über den Schnee bis an den Rand eines Gewässers. Im Frühjahr ließ man die Stämme dann auf Bächen und Flüssen in die Bucht treiben.)
    »Aber spätestens in den neunziger Jahren hattet ihr alle eure Wälder in die Staaten geflößt - hab ich recht?«, fragte Ketchum

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