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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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wollte unbedingt, dass Daniels Beziehung mit Charlotte funktionierte. Doch Charlotte wollte Dannys Dad auf keinen Fall »zwangsräumen«, wie sie es formulierte - nicht vor der Hochzeit, die (über zwei Jahre im Voraus) für Juni 1987 geplant war, gleich nach Joes Studienabschluss. Joe sollte Dannys Trauzeuge werden.
    Damals schien es klug, mit der Hochzeit zu warten - und damit, dass Charlotte schwanger wurde und es im Haus ein Baby gab. Danny hatte Joe, wie er sich ausdrückte, durch die Studienzeit »geleiten« wollen. Doch es gab Menschen in Toronto, die Charlottes Beziehungsgeschichten kannten; sie hätten vielleicht darauf gewettet, dass eine zwei Jahre in der Zukunft liegende Hochzeit eher unwahrscheinlich war oder dass die junge Drehbuchautorin nach einer ihrer vielen l.a.-Reisen einfach nicht zurückkehren würde. In den drei kurzen Jahren, die sie zusammen gewesen waren, hatte Charlotte nur selten Kleidungsstücke in Dannys Schlafzimmerschrank zurückgelassen, auch wenn sie häufiger in dem Haus am Cluny Drive übernachtete als Danny in Forest Hill. Allerdings ließ sie ihre Toilettenartikel und ihre zahlreichen Kosmetika in Dannys Bad.
    Charlotte und Danny waren beide Frühaufsteher, und während Charlotte sich morgens kämmte und schminkte - sie hatte unglaublich schöne Haut, wie dem Koch wieder einfiel -, machte Danny das Frühstück. Anschließend nahm Charlotte in der Yonge Street die U-Bahn bis St. Clair; von dort ging sie zu Fuß zu ihrem Haus in Forest Hill, wo sie einen langen Arbeitstag verbrachte.
    Charlotte sagte immer, sie wolle auch nach ihrer Hochzeit ein Büro außerhalb des Hauses am Cluny Drive behalten. (»Außerdem ist hier gar nicht genug Platz für meine ganzen Klamotten«, erklärte sie Danny. »Selbst wenn dein Dad dann ausgezogen ist, brauche ich für meine Kleider wenigstens ein Büro - wenn nicht sogar ein ganzes Haus.«)
    Charlottes Kleidung konnte einen auf falsche Gedanken bringen, dachte Dominic oft- besonders wenn er Fotos von ihr sah. Doch genau wie Danny bei seinen Romanen war Charlotte bei ihren Drehbüchern ein Arbeitstier - auch was die von ihr vorgeschlagene Adaption des Romans
Jenseits von Bangor
betraf, weswegen sie und Danny sich überhaupt kennengelernt hatten.
    Charlotte wusste alles über Danny Angels eiserne Regeln zum Verkauf von Filmrechten an seinen Romanen; sie hatte die Interviews gelesen, in denen Danny erklärte, jemand müsse eine »halbwegs ordentliche« Adaption schreiben,
ehe
er als Autor bei einem Buch überhaupt wegen der Filmrechte verhandelte. Charlotte war einen Kopf größer als Daniel und damit von Körpergröße
und
Alter her näher bei Joe als bei dessen Dad. Sie hatte eingewilligt, eine erste Drehbuchfassung »auf gut Glück« zu schreiben. Weder würde Geld den Besitzer wechseln, noch würden Filmrechte vergeben werden; falls Danny ihr Skript nicht gefiele, hätte sie halt einfach Pech gehabt.
    »Bestimmt haben Sie schon eine Idee, wie man aus dem Roman einen Film macht«, hatte Danny bei ihrer ersten Begegnung gesagt. Sie hatten sich zum Abendessen im Bastringue verabredet, wo Danny damals wohl an drei oder vier Abenden in der Woche aß.
    »Nein, ich will das einfach machen, ich weiß nur noch nicht, wie.« Mit ihrer dunkel gerahmten Brille wirkte Charlotte sehr gelehrt, doch ihr Körper sah gar nicht aus, als gehörte er zu einem Bücherwurm; sie war nicht nur groß, sondern hatte auch üppige Kurven. (Bestimmt war sie ein paar Pfund schwerer als Daniel, erinnerte sich der Koch.) Eigentlich war sie zu groß, um ein rosa Kleid tragen zu können, hatte Danny an jenem ersten Abend gedacht, noch dazu mit dem farblich abgestimmten rosa Lippenstift, aber Charlotte hatte eben geschäftlich viel in l.a. zu tun; schon 1984 sah sie mehr nach l.a. als nach Toronto aus.
    Ihre erste Drehbuchfassung von
Jenseits von Bangor
hatte Danny wirklich gut gefallen - gut genug, dass er Charlotte Turner die Filmrechte an seinem Roman für einen Dollar verkaufte, einen kanadischen Dollar, der damals etwa 75 US-Cent wert war. An späteren Drehbuchfassungen hatten sie gemeinsam geschrieben, so dass Danny selbst erlebte, wie hart Charlotte arbeitete. Damals lag Dannys Schreibzimmer im Erdgeschoss des Hauses am Cluny Drive, wo jetzt sein Fitnessraum war. Dort und im Haus ihrer Großmutter in Forest Hill hatten Charlotte und er gearbeitet. Bis der Film endlich in die Kinos kam, sollten noch 15 Jahre vergehen, doch das Drehbuch zu
Jenseits von Bangor
war nach vier

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