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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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berühmten Autor und seinem Vater über die Grenze gefolgt war. Im Nachhinein bezog man sich dabei vor allem auf die Waffen an sich - sowohl auf den monströsen 45er-Colt des Cowboys als auch auf Ketchums Weihnachtsgeschenk für Danny, die Winchester Pumpgun, die dem Sheriff die Kehle zerfetzt hatte. Auch machte man in Kanada ein Riesentheater, weil der Schriftsteller keinen Waffenschein für sein Gewehr hatte. Letzten Endes wurde gegen Danny deswegen aber keine Anklage erhoben. Ketchums Geschenk wurde konfisziert, und damit hatte es sich.
    »Dieses Gewehr hat dir das Leben gerettet!«, hatte Ketchum Danny angeblafft. »Und es war ein
Geschenk,
Herrgott noch mal!
Wer
hat es konfisziert? Ich schieß ihm die Eier ab!«
    »Lass gut sein, Ketchum«, sagte Danny. »Ich brauche kein Gewehr, jetzt nicht mehr.«
    »Du hast doch Fans - und auch das Gegenteil, wie immer man solche Leute nennt -, oder nicht?«, gab Ketchum zu bedenken. »Darunter sind bestimmt ein paar
Viecher,
da geh ich mit dir jede Wette ein.«
    Die Frage, die Danny von den amerikanischen wie den kanadischen Medien am häufigsten gestellt wurde, lautete übrigens: »Werden Sie darüber schreiben?«
    Er hatte sich angewöhnt, auf diese oft gehörte Frage frostig zu reagieren. »Nicht sofort«, sagte Danny immer.
    »Und
wirst
du darüber schreiben?«, hatte ihn auch Carmella beim Abendessen gefragt.
    Statt die Frage zu beantworten, sprach er lieber über das Buch, an dem er gerade schrieb. Er kam gut voran, ja er schrieb so schnell wie der Wind - die Wörter ließen sich nicht bremsen. Das würde wieder ein langer Roman werden, doch Danny glaubte nicht, dass er fürs Schreiben viel Zeit brauchen würde. Warum es ihm so leichtfiel, wusste er nicht; vom ersten Satz an kam die Geschichte wie von selbst. Er las Carmella den ersten Satz vor. (Später wurde Danny klar, welch ein Narr er gewesen war, als er erwartet hatte, sie damit zu beeindrucken!) »>In dem geschlossenen Restaurant, nach Feierabend, arbeitete der Sohn des verstorbenen Kochs - der einzige noch lebende Angehörige des Maestros - in der dunklen Küche.<« Und aus diesem verrätselten Anfang hatte Danny den Titel des Romans entworfen:
Das dunkle Restaurant.
    Für den Schriftsteller war Carmellas Reaktion so vorhersehbar gewesen wie ihr ganzes Gespräch. »Handelt er von Gamba?«, fragte sie.
    Nein, versuchte er ihr zu erklären; der Roman handelte von einem Mann, der im Schatten seines berühmten Vaters stand, eines Meisterkochs, der kürzlich gestorben war und seinen einzigen, bereits über sechzigjährigen Sohn als einsame und unauffällige Seele zurückließ. Auf den Rest der Welt macht dieser Sohn einen leicht zurückgebliebenen Eindruck. Sein Leben lang hat er mit seinem Vater zusammengewohnt, als Sous-Chef in dem Restaurant gearbeitet, das der renommierte Koch berühmt gemacht hat. Der nun auf sich allein gestellte Sohn hat noch nie zuvor seine Rechnungen selbst zahlen, noch kein einziges Mal seine Kleidung selbst kaufen müssen. Auch wenn ihn das Restaurant weiter beschäftigt, vielleicht weil man dem verblichenen Koch nachtrauert, ist der Sohn ohne die väterliche Anleitung als Sous-Chef praktisch nicht zu gebrauchen. Bald würde ihm das Restaurant wohl oder übel kündigen oder ihn zum Tellerwäscher degradieren müssen.
    Der Sohn findet jedoch heraus, dass er den Geist des toten Kochs »kontaktieren« kann, indem er nachts in der Küche kocht, was das Zeug hält - aber erst nach Schließung des Restaurants. Und so rackert der Sohn dort nach Feierabend unermüdlich und bringt sich heimlich die Rezepte seines Dads bei - alles, was der Sous-Chef zu lernen versäumt hat, als der große Koch noch am Leben war. Und wenn er ein Rezept zur Zufriedenheit seines Dads gemeistert hat, berät der Geist des verstorbenen Kochs seinen Sohn in praktischeren Fragen - wo er seine Kleidung kaufen, welche Rechnungen er zuerst bezahlen und wie oftund von wem er das Auto warten lassen soll. (Seines Vaters Geist hat, wie der Sohn rasch merkt, manche Dinge vergessen - beispielsweise dass sein leicht zurückgebliebener Sohn nie Auto fahren gelernt hat.)
    »Gamba ist ein
Geist?«,
rief Carmella.
    »Ich hätte den Roman wohl auch
Der geistig zurückgebliebene Sous-Chef
nennen können«, sagte Danny sarkastisch, »hielt aber
Das dunkle Restaurant
für einen besseren Titel.«
    »Secondo, die Leute könnten es für ein Kochbuch halten«, warnte ihn Carmella.
    Tja, was sollte er dazu sagen? Bestimmt würde niemand Danny

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