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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Flugzeug klingende Motorgeräusch eines Propellerboots hörte. Er bellte, wenn auf dem Festland ein Zug pfiff - und, weniger häufig, beim Quietschen der Reifen der großen Langstreckenlaster auf der Route 69. Und was Eindringlinge anging, die er hätte anbellen können - nun, in diesen Winterwochen gab es keine; nur Andy Grant ließ sich ab und zu blicken (und wurde von Hero prompt angebellt).
    Niemand hätte behauptet, Ketchums Jagdhund wäre normal - oder auch nur
annähernd
normal -, doch das Bellen trug viel dazu bei, dass Heros einohriges, stier dreinblickendes Gesicht nicht mehr ganz so unheimlich wirkte. Jedenfalls hatten die anderen Leute, die mit ihren Hunden im Scrivener Square Gassi gingen, nun deutlich weniger Angst vor dem Jagdhund - und seit das Tier bellte, knurrte es seltener. Ein Jammer, dass Danny nichts gegen Heros lautloses Furzen und sein geräuschvolles Schnarchen tun konnte. Allmählich wurde Danny klar, dass er gar nicht gewusst hatte, was es bedeutete, einen Hund zu haben. Je mehr er mit Hero redete, desto seltener dachte er darüber nach, was Ketchum über den Irak gesagt hätte. Wurde man unpolitischer, wenn man einen Hund hatte? (Nicht dass Danny je ein
ausgesprochen
politischer Mensch gewesen wäre, nicht so wie Katie oder Ketchum.) In politischen Fragen ergriff Danny durchaus Partei; er hatte auch politische Ansichten. Aber er war nicht antiamerikanisch eingestellt, ja er fühlte sich nicht einmal als Auslandsamerikaner! Die Welt, wie sie sich in groben Umrissen auf seinem Kühlschrank in Toronto darstellte, kam dem Autor immer unwichtiger vor. Die Welt war immer weniger das, worüber Daniel Baciagalupo nachdenken wollte - schon gar nicht, wie Ketchum es formuliert hätte,
als Schriftsteller.
    Auf der Route 69, Nähe Horseshoe Lake Road, hatte es einen Unfall gegeben. Ein Vollidiot am Steuer eines Hummer hatte den Anhänger eines Viehtransporters von hinten gerammt und dabei sich und etliche Rinder umgebracht. Es war in Dannys erstem Winter auf Charlottes Insel gewesen, und seine Putzfrau hatte ihm von diesem Unfall erzählt. Sie war Indianerin, gehörte also der First Nation an, wie man heute sagte - eine junge Frau mit schwarzen Haaren und Augen, einem hübschen Gesicht und großen, kräftig aussehenden Händen. Einmal pro Woche holte Danny sie mit dem Propellerboot von der Shawanaga Landing Indian Reservation ab und brachte sie am Ende des Tages auch wieder dorthin zurück; sie wohnte aber mit ziemlicher Sicherheit nicht dort. Shawanaga Landing selbst wurde hauptsächlich in den Sommermonaten genutzt, als Campingplatz und als Tor zur Bucht. Die Leute aus dem Reservat wohnten in dem Dorf Shawanaga im Hinterland, allerdings lebten einige Menschen der First Nation das ganze Jahr über in Skerryvore - wenigstens hatte Andy Grant das Danny erzählt. (Zu beiden Orten führte eine auch im Winter geöffnete Straße; mit dem Schneemobil kam man jedenfalls immer durch.)
    Die junge Putzfrau schien gern in dem Polar-Propellerboot zu fahren. Danny brachte ihr immer ein zweites Paar Ohrenschützer mit, und als sie Hero kennengelernt hatte, fragte sie, warum der Jagdhund sie nicht auf der Fahrt begleiten könne. »Das Propellerboot ist für Hundeohren zu laut - na ja, jedenfalls für sein eines Ohr«, erklärte ihr Danny. »Wie gut Hero mit dem lädierten Ohr hört, weiß ich gar nicht.«
    Doch die Putzfrau hatte ein Händchen für Hunde. Sie schlug Danny vor, Hero ihre Ohrenschützer aufzusetzen, wenn er nach Shawanaga Landing fuhr, um sie abzuholen, oder wenn er ohne sie nach Turner Island zurückfuhr. (Erstaunlicherweise hatte der Hund nichts dagegen.) Und wenn die Putzfrau mit ihnen im Propellerboot war, saß Hero auf ihrem Schoß und sie hielt ihm mit ihren großen starken Händen beide Ohren zu - auch das überwiegend fehlende Ohr. Danny hatte noch nie erlebt, dass sich Hero bei jemandem auf den Schoß setzte. Der Walker Bluetick wog 25 oder 30 Kilo.
    Treu folgte der Hund der jungen Frau, wenn sie ihren Putzarbeiten nachging, so wie Hero überall auf der Insel bei Danny blieb, wenn er allein dort war. Wenn Danny die Motorsäge benutzte, ging der Hund auf sichere Distanz. (Dass Hero das von Ketchum gelernt hatte, stand für Danny fest.)
    Wo die junge Frau aus der First Nation tatsächlich lebte, war und blieb mysteriös - nie sah Danny jemanden in Shawanaga Landing auf sie warten oder ein Fahrzeug, das sie auf dem Weg zum oder vom Bootsanleger weg benutzt haben könnte. Danny hatte sie nur

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