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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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Schießpulver in dem Mordzimmer gehalten.
    Man beachte, dass die beiden Frauen, zu denen Danny in dieser Phase seines Lebens den beständigsten Kontakt hielt, Putzfrauen waren, auch wenn Lupitas Einfluss auf ihn zweifellos größer war als der von Tireless. Auf Lupitas Drängen hin hatte Danny auch das Sofa in seinem Schreibzimmer im zweiten Stock entsorgt, und zwar nur, weil Lupita behauptete, der Abdruck des Körpers des abscheulichen Sheriffs darauf sei (für sie) immer noch deutlich sichtbar. »Ich kann ihn immer noch da liegen sehen, wie er darauf wartet, dass Sie und Ihr Dad einschlafen«, hatte Lupita zu Danny gesagt.
    Natürlich hatte Danny das Sofa entsorgt, obwohl der Abdruck von Carls dickem Körper für ihn nie zu sehen gewesen war, doch kaum hatte Lupita das behauptet, ertappte Danny sich dabei, wie er sich das ebenfalls einbildete.
    Für Lupita war das erst der Anfang. Danny erinnerte sich, dass Lupita eine tiefgreifende Veränderung vorschlug, kurz nachdem Hero zu ihm gezogen war. Diese Pinnwände mit der gesammelten Familiengeschichte der Baciagalupos - die Hunderte von überlappenden Fotos, die der Koch aufgehängt hatte, und in Dominics Schreibtischschubladen lagen noch mehrere hundert andere -, nun, man kann sich denken, was die mexikanische Putzfrau davon hielt. Es sei doch sinnlos, hatte Lupita erklärt, diese besonderen Fotos in einem Zimmer auszustellen, wo sie niemand sehe. »Sie sollten in
Ihrem
Schlafzimmer hängen, Mr. Schriftsteller«, hatte Lupita zu Danny gesagt. (Sie hatte sich plötzlich angewöhnt, ihn entweder so oder »Senor Schriftsteller« zu nennen, wann genau, war Danny entfallen.)
    Und daraus folgte natürlich, dass die Fotos von Charlotte verschwinden mussten. »Das schickt sich nicht mehr«, hatte Lupita zu Danny gesagt; sie meinte, er solle nicht mehr mit diesen nostalgischen Fotos von Charlotte Turner im selben Zimmer schlafen, die inzwischen verheiratet war und eine eigene Familie hatte. (Lupita hatte einfach das Kommando übernommen, ohne ein Wort des Widerspruchs von Mr. Schriftsteller.)
    Jetzt ergab es Sinn. Das Schlafzimmer des verstorbenen Kochs diente als zweites Gästezimmer; es wurde kaum genutzt, erwies sich aber als besonders nützlich, wenn ein Paar mit Kind (oder Kindern) zu Besuch kam. Anstelle von Dominics Doppelbett standen da nun zwei Einzelbetten. In diesem entlegenen Gästezimmer - am anderen Ende des Flurs, von Dannys Schlafzimmer aus betrachtet - wirkte die Hommage für Charlotte angemessener, wenn man bedachte, was aus Dannys Beziehung zu ihr geworden war.
    Es ergab auch Sinn, dass Danny jetzt in einem Zimmer schlief, wo Fotos der näheren und erweiterten Familie hingen - darunter auch einige Schnappschüsse von Joe, Dannys totem Sohn. Danny musste Lupita für diese Neuerung dankbar sein. Sie war für die Pinnwände zuständig, sie wählte die neuen und wiederverwendeten Fotos aus, die in Dannys Schlafzimmer hängen sollten. Ein- oder zweimal in der Woche sah sich Danny die Bilder auf den Pinnwänden genauer an, nur um herauszufinden, was Lupita wieder verändert hatte.
    Gelegentlich erhaschte man auf den Fotos einen Blick auf Charlotte - meist waren es Bilder von Charlotte mit Joe. (Irgendwie hatten sie Lupitas unergründlichen Radar passiert.) Und natürlich gab es jede Menge Fotos von Ketchum (sogar ein paar neue) und von Dannys junger Mutter mit seinem noch jüngeren Dad. Diese lange gehüteten Schnappschüsse von Cousine Rosie waren samt Hero und Ketchums Waffen in Dannys Besitz gelangt - die Motorsäge nicht zu vergessen. Die alten Fotos waren nie dem Sonnenlicht ausgesetzt worden, da sie zwischen den Seiten von Rosies geliebten Büchern gesteckt hatten, die ebenfalls in Dannys Besitz gelangt waren, nun, da der alte Holzfäller sie nicht mehr lesen konnte. Wie viele Bücher Ketchum angesammelt hatte! Und wie viele mehr mochte er gelesen haben?
    An diesem Dezembermorgen im Jahr 2004, als Lupita Danny beim Schreiben in der Küche ertappte, feilte er gerade an ein paar Szenen, die er sich am Anfang seines Romans vorstellen konnte - sogar schon an einzelnen Sätzen. Jedenfalls kam er dem Beginn des ersten Kapitels näher, doch wo genau er anfangen sollte - wie beispielsweise der erste Satz lauten sollte -, entzog sich ihm. Er schrieb in ein schlichtes Notizbuch mit Spiralheftung und liniertem Papier; Lupita wusste, dass der Schriftsteller einen ganzen Stapel solcher Notizbücher in seinem Schreibzimmer hatte, wo er (das stand für sie fest)

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