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Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
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seine Geschichte erzählen, Erin, wenn sie nicht sogar für dich zu lang wäre.«
    Danny wusste noch, was Erin und er an diesem Abend gegessen hatten. Sie hatten die Garnelen mit Kokosmilch und grüner Currybrühe bestellt und als Vorspeise die Malpeque-Austern mit Silvestros Champagner-Schalotten-Mignonette.
    »Erzähl mir
alles,
Erin«, hatte Daniel wie schon so oft zu ihr gesagt. »Lass kein Detail aus. Erspar mir nichts.« Worauf Erin lächelte und an ihrem Wein nippte. Sie bestellte gern eine Flasche teuren Weißwein, trank aber nie mehr als ein, zwei Gläser und spendierte den Rest der Flasche Patrice, der ihn dann glasweise verkaufte. Patrice revanchierte sich, indem er Erin hin und wieder zum Wein einlud. Auch Patrice Arnaud war Dr. Reillys Patient.
    »Also, Danny, dann woll'n wir mal«, hatte Erin an diesem Novemberabend 2001 begonnen. »Wahrscheinlich würde dein Freund
nicht
verbluten - nicht wenn er seine Hand am Gelenk abschnitte, mit einem glatten Schnitt und einer scharfen Klinge.« Für Danny stand fest, dass Ketchum ein scharfes Werkzeug benutzen würde - sei es das Browning-Messer, eine Axt oder sogar seine Motorsäge. »Aber dein Freund würde viel Blut verlieren - aus Speichen- und Ellenarterie würde es richtig spritzen, das sind die beiden wichtigen Adern, die er durchtrennen würde. Doch dein unglücklicher Freund stünde vor ein paar Problemen - das heißt, falls er wirklich sterben will.« Erin zögerte, ehe sie weitersprach. »Will dein Freund sterben, oder will er nur die Hand loswerden?«, fragte sie dann.
    »Das weiß ich nicht«, antwortete Danny. »Ich dachte immer, es gehe nur um die Hand.«
    »Tja, dann könnte er seinen Willen bekommen«, sagte Erin. »Du musst wissen, diese Arterien sind sehr elastisch. Sobald sie durchtrennt sind, ziehen sie sich wieder in den Arm zurück, wo sie von dem umgebenden Gewebe zusammengedrückt werden, wenigstens bis zu einem gewissen Grad. Die Muskeln in den Arterienwänden würden sich sofort zusammenziehen und so den Durchmesser der Arterien verringern und den Blutverlust vermindern. Unser Körper ist erfinderisch, wenn's ums Überleben geht. Bei deinem Freund kämen zahlreiche Mechanismen ins Spiel, die verhindern würden, dass er verblutet.« Erin machte wieder eine Pause. »Was hast du?«, fragte sie Danny.
    Daniel Baciagalupo überlegte immer noch, ob Ketchum sich tatsächlich umbringen wollte oder nicht. In all den Jahren war Danny bei dem ständigen Gerede über die linke Hand nie auf die Idee gekommen, dass Ketchum möglicherweise schlimmere Absichten hatte.
    »Ist dir schlecht oder was?«, fragte Dr. Reilly Danny. »Nein, nein«, sagte Danny. »Er würde also
nicht
verbluten, meinst du?«
    »Die Thrombozyten würden ihn retten«, antwortete Erin. »Thrombozyten oder Blutplättchen sind winzige Blutteilchen, nicht einmal richtige Zellen; es sind so eine Art Zellflocken, die im Blutkreislauf zirkulieren. Unter normalen Umständen sind Blutplättchen winzige, glatte, nichthaflende Teilchen. Wenn sich dein Freund aber die Hand abschneidet, legt er das Endothel frei, also die innerste Arterienwandschicht, was zu der Ausschüttung eines Proteins namens Kollagen führt - das auch von Schönheitschirurgen verwendet wird. Wenn die Blutplättchen auf das frei liegende Kollagen treffen, machen sie eine drastische Verwandlung durch. Aus den glatten Plättchen werden klebrige Partikel mit spitzen Fortsätzen. Sie sammeln sich und bleiben aneinander kleben - sie bilden einen Pfropf.«
    »Eine Art Gerinnsel oder Klumpen?«, fragte Danny mit seltsam heiserer Stimme. Er konnte nichts essen, weil er nicht schlucken konnte. Irgendwie stand für ihn fest, dass Ketchum sich umbringen wollte. Sich die linke Hand abzuhacken war nur die Methode seiner Wahl. Natürlich machte Ketchum seine linke Hand dafür verantwortlich, dass ihm Rosie damals entglitt. Aber Rosie war schon seit Jahrzehnten tot. Danny wurde klar, dass Ketchum sich offenbar die Schuld daran gab, Carl nicht getötet zu haben. Ketchum machte sich den Tod seines Freundes Dominic zum Vorwurf - und zwar dem
ganzen
Ketchum. Seiner linken Hand konnte man nicht vorwerfen, dass der Cowboy den Koch erschossen hatte.
    »Zu viele Details beim Essen?«, fragte Erin. »Ich bin gleich fertig. Die Gerinnung kommt etwas später, daran sind ein paar andere Proteine beteiligt. Kurz und gut, es entsteht
tatsächlich
ein Pfropf, der die Arterie verschließt. Das würde den sonst enormen Blutverlust deines Freundes

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