Letzte Nacht in Twisted River
anrief, war sie wegen irgendetwas irritiert, das wusste Danny. »Was gibt's, Lupita?«, fragte er sie übers Handy. »Schneit es in Toronto? Wir haben hier oben einen ziemlichen Schneesturm - Hero und ich sitzen fest.«
»Bei dem bedauernswerten Hund weiß ich es nicht, aber ich glaube, Sie sitzen
gern
fest, Mr. Schriftsteller«, sagte Lupita. Offenbar lag ihr etwas anderes am Herzen; sie hatte nicht wegen des Wetters angerufen.
Manchmal war Lupita davon überzeugt, dass Menschen das Haus am Cluny Drive
beobachteten,
was gelegentlich sogar stimmte. Schüchterne Fans, jedes Jahr ein paar - leicht fanatische Leser, die hofften, einen Blick auf den Schriftsteller zu erhaschen. Vielleicht auch zwielichtiges Mediengesindel - worauf die wohl hofften? (Vielleicht auf noch eine Schießerei mit zwei Toten.)
Irgendein kanadisches Revolverblatt hatte einen Stadtplan von Toronto mit den Domizilen Prominenter veröffentlicht; darauf war auch Dannys Haus am Cluny Drive eingezeichnet. Nicht oft, vielleicht einmal im Monat, kam ein Autogrammjäger an die Tür; Lupita scheuchte sie fort, als wären es Bettler. »Man bezahlt ihn dafür, dass er Bücher
schreibt,
nicht
signiert!«,
sagte die Putzfrau dann.
Irgendein Medienkretin hatte allen Ernstes über Lupita geschrieben: »Die Freundin des öffentlichkeitsscheuen Autors, die offenbar mit ihm zusammenlebt, ist eine untersetzte Latina - eine ältere Frau mit ausgeprägtem Beschützerinstinkt.« Darüber konnte Lupita gar nicht lachen; sowohl
untersetzte
wie
ältere
empfand sie als zutiefst kränkend. (Was Lupitas Beschützerinstinkt anging, der war ausgeprägter denn je.)
»Jemand sucht nach Ihnen, Senor Schriftsteller«, informierte ihn Lupita jetzt über sein Handy. »Ich würde zwar nicht so weit gehen, sie eine Stalkerin zu nennen - noch nicht -, doch sie ist entschlossen, Sie zu finden, das kann ich Ihnen versichern.«
»Wie entschlossen?«, fragte Danny.
»Ich würde sie nicht reinlassen!«, rief Lupita. »Und ich hab ihr natürlich nicht verraten, wo Sie sind.«
»Natürlich nicht«, wiederholte Danny. »Was wollte sie denn?«
»Hat sie nicht gesagt - sie war sehr
von oben herab.
Sie guckt regelrecht durch einen hindurch - wenn Blicke töten könnten, wie man so sagt! -, und sie hat frech angedeutet, sie wisse, wo Sie sind. Ich glaube, sie hat nach mehr Informationen geangelt, aber ich habe den Köder nicht geschluckt«, schloss Lupita stolz.
»Wie denn frech angedeutet?«, fragte Danny.
»Sie war
ungewöhnlich
gut informiert«, sagte Lupita. »Sie fragte, ob Sie da oben auf der Insel wären, wo sie mal mit dieser Drehbuchautorin gewohnt hätten! Ich sagte: >Was für eine Insel?< Sie hätten mal sehen sollen, wie sie mich
da
angeschaut hat!«
»Als wüsste sie, dass Sie gelogen haben?«, fragte Danny.
»Genau!«, rief Lupita. »Vielleicht ist sie ja eine Hexe!«
Doch jeder Fan Danny Angels wusste, dass er mit Charlotte Turner zusammengelebt hatte und dass sie im Sommer zur Georgian Bay gefahren waren; irgendwo hatte jemand sogar geschrieben, der angeblich öffentlichkeitsscheue Schriftsteller verbringe seine Winter auf einer entlegenen Insel im Huron-See. (Jedenfalls war sie im Winter »entlegen«.) Falls die Frau eine Leserin von Danny Angel war, hatte sie im Grunde nur gut geraten; es bedeutete wohl kaum, dass die Frau, die ihn suchte, Hexenkräfte besaß.
»Wie sah diese Frau denn aus, Lupita?«, erkundigte sich Danny, der versucht war, seine Putzfrau zu fragen, ob sie vielleicht einen Reisigbesen entdeckt oder um die
ungewöhnlich
gut informierte Frau herum Qualmgeruch oder das Knistern eines Feuers wahrgenommen habe.
»Sie sah wirklich furchterregend aus!«, behauptete Lupita. »Mächtige Schultern - wie ein Mann! Sie war
gewaltig!«
»Gewaltig«,
wiederholte Danny und musste dabei an seinen Dad denken. (Er war eindeutig dessen Sohn - Wiederholungen lagen ihm im Blut.)
»Sie sah aus, als würde sie in einem Fitnesscenter wohnen«, erläuterte Lupita. »Mit der möchte man sich lieber nicht anlegen, glauben Sie mir.«
Danny lag das Wort
Bodybuilderin
auf den Lippen, doch er schluckte es herunter. Lupitas gesammelte Eindrücke ließen vor Dannys innerem Auge plötzlich Lady Skys Geist auftauchen, denn hatte Amy nicht ausgesehen, als wohnte sie in einem Fitnesscenter? Hatte nicht Lady Sky glatt durch einen hindurchgesehen? (Wenn Blicke töten könnten, na klar!) Und war Amy nicht
gewaltig
gewesen? Irgendwie passte der Ausdruck
von oben herab
nicht zu Lady
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