Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Nacht in Twisted River

Letzte Nacht in Twisted River

Titel: Letzte Nacht in Twisted River Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Irving
Vom Netzwerk:
wollte sich Danny mit
diesem
Satz fürs Erste nicht befassen, er würde ihn an einem anderen Tag beenden müssen. Im Augenblick genügte es, all diese Gedanken über den Koch auf ein einzelnes Blatt zu tippen und die Seite an die Wand des Schreibschuppens zu heften.
    »In einem Ort wie Twisted River blieb nur das Wetter unverändert«, hatte Danny auch geschrieben; das könnte als erster Satz des Kapitels funktionieren, doch der Schriftsteller wusste, dass er noch mehr draufhatte. Dennoch würde er diesen Satz über das Wetter aufheben und an anderer Stelle verwenden. »Jetzt war wieder Schlammperiode, und der Fluss führte Hochwasser«, schrieb Daniel Baciagalupo - ein besserer Anfangssatz, aber nicht das, wonach der Schriftsteller suchte.
    Alles, was mit der Figur namens Ketchum zusammenhing, war fragmentarischer. Nichts über sie fiel Danny in ganzen Sätzen ein - noch nicht. Da gab es zwar einen Splitter wie »Ketchum war schon Schlimmeres passiert, als sich bei einer Trift das Handgelenk zu brechen...«, eine Formulierung, die Danny gefiel, doch noch war ihm schleierhaft, wie sich der Satz entwickeln würde. Ein anderes Fragment über Ketchum war »ein erfahrener Mann, der sich mit den Tücken einer Trift auskannte«. Danny wusste, dass er diese Stelle verwenden konnte und würde, nur über das Wo war er sich nicht im Klaren - vielleicht in der Nähe eines noch ungewissen Satzes, laut dem Ketchum auf dem Rücken lag »wie ein angeschwemmter Bär«. Doch auch diese Fragmente landeten an der Wand des Schreibschuppens, wo sie mit Heftzwecken neben den anderen Markierungen oder Wegweisern befestigt wurden.
    Zu diesem Zeitpunkt sah der Schriftsteller die Figur des Angel deutlicher als die des Ketchum - obwohl für Daniel Baciagalupo feststand, dass Ketchum im Gegensatz zu Angel eine Hauptfigur war. (Vielleicht
die
Hauptfigur, dachte Danny.)
    In diesem Moment - zeitgleich mit einer neuen Welle giftiger Hundefürze - klingelte Dannys Handy erneut.
    »Buenos dias,
Senor Schriftsteller«, sagte Lupita.
    »Buenos dias,
Lupita«, sagte Danny.
    Die mexikanische Putzfrau rief nicht oft an. In den zehn Winterwochen, die Danny auf der Insel in der Georgian Bay verbrachte, kümmerte sich Lupita um das Haus am Cluny Drive. Sie öffnete und las die Post des Schriftstellers, sie hörte die Nachrichten auf seinem Anrufbeantworter ab, sie warf auch einen Blick auf das Faxgerät. Einmal pro Woche erstellte Lupita eine Liste mit Dingen, die Danny ihrer Ansicht nach wissen musste - im Grunde das, was nicht warten konnte, bis er nach Toronto zurückkam. Diese Liste wichtiger Anliegen faxte sie an Andy Grants Büro in Pointe au Baril Station.
    Danny ließ Lupita immer ein paar Scheckbücher mit unterschriebenen Blankoschecks da, damit sie während seiner Abwesenheit seine Rechnungen bezahlte. Vor allem genoss die Putzfrau es offensichtlich, dass sie die Post des Schriftstellers lesen durfte und entscheiden, was wichtig war - und was nicht. Zweifellos kam das Lupitas Stolz entgegen - ihrem Gefühl, einen enormen Einfluss, ja eine beinahe managerhafte Kontrolle über das häusliche Leben des Bestsellerautors zu haben.
    Danny wusste, dass Lupita jede sich bietende Gelegenheit ergriffen hätte, um auch das Kommando über sein desolates Privatleben zu übernehmen. Falls sie Töchter gehabt hätte, hätte sie diese mit Danny bekannt gemacht. Lupita hatte allerdings Nichten; deren Fotos ließ sie dreist auf der Küchenanrichte liegen und rief dann von zu Hause Danny an, um ihm mitzuteilen, sie habe ein paar Fotos »verloren«, die ihr am Herzen lägen. Ob er sie vielleicht irgendwo gesehen hatte?
    »Lupita, die Fotos liegen auf der Anrichte in meiner Küche - wo Sie sie offenbar absichtlich hingelegt haben«, antwortete er ihr.
    »Die dunkelhaarige Schönheit in dem pinken Top, die mit dem herrlichen Lächeln und der makellosen Haut? Übrigens meine Lieblingsnichte, Mr. Schriftsteller.«
    »Lupita, sie sieht wie ein Teenager aus«, gab Danny zu bedenken.
    »Nein, sie ist
älter
- ein wenig«, gab Lupita zurück.
    Einmal hatte Lupita zu ihm gesagt: »Heiraten Sie bloß keine
Schriftstellerin.
Sie beide würden sich nur gegenseitig runterziehen.«
    »Ich werde niemanden heiraten - niemals«, sagte er.
    »Warum rammen Sie sich nicht gleich einen Dolch ins Herz?«, fragte sie ihn. »Bald werden Sie Umgang mit Prostituierten pflegen! Dass Sie mit dem Hund reden, weiß ich - ich hab Sie gehört!«, sagte sie.
    Wenn Lupita ihn in Pointe au Baril

Weitere Kostenlose Bücher