Letzte Rache: Thriller (German Edition)
stieß ihn leicht mit dem Fuß an. »Hast du keine Lust, mir eine Tasse Tee zu machen?«
Als er ein paar Minuten später mit einer Tasse Pfefferminztee zurückkam, hatte der Promiquatsch aufgehört, und an seine Stelle waren die Spätnachrichten getreten. Carlyle sah mit einem Auge den Schluss einer Story über ein Erdbeben in den Philippinen oder sonst wo und war gerade auf dem Weg ins Bett, als ein Bild von Rosanna Snowdon auf dem Bildschirm erschien.
Er ließ sich wieder neben seine Frau auf das Sofa plumpsen, während die Nachrichtensprecherin mit ernster Stimme den Kommentar dazu lieferte: »Simon Lovell, der beschuldigt wurde, die Fernsehmoderatorin Rosanna Snowdon ermordet zu haben, wurde heute nach einer Voruntersuchung auf freien Fuß gesetzt, bei der der Richter entschied, dass sein Geständnis unter Zwang zustande gekommen sei.«
Dann folgte ein Ausschnitt mit Lovells Anwältin Abigail Slater, die einen unnachgiebigen Eindruck machte: »Mein Mandant ist über die bei der heutigen Verhandlung gefällte Entscheidung erfreut. Die Polizei hat – abgesehen von einem erzwungenen Geständnis, das bei einer ordentlichen Verhandlung keinen Bestand haben würde – keine Indizien, die für Mr Lovells Anwesenheit in der fraglichen Nacht am Schauplatz des angeblichen Verbrechens sprechen. Mr Lovell möchte jetzt nur noch sein normales, ruhiges Leben wiederaufnehmen.«
»Schön wär’s«, murmelte Carlyle.
»Auf welchem Stand befindet sich damit die Untersuchung von Rosannas Tod?«, fragte Helen.
»Auf null, soweit ich weiß …« Carlyle seufzte. »Sonst haben sie nichts in der Hand. Lovell war ihr einziger Verdächtiger.«
»Und warum haben sie dann auf dem armen Kerl herumgehackt?«
»Sie haben nicht auf ihm herumgehackt«, sagte Carlyle gereizt, der aus irgendeinem Grund das Bedürfnis verspürte, den Advocatus Diaboli zu spielen. »Er hat gestanden. Was sollten sie sonst tun?«
»Glaubst du, er war es?«
»Keine Ahnung.«
»Werden sie den Mörder finden?«
Carlyle fand schließlich die Kraft, sich vom Sofa zu erheben und in Richtung Bett loszugehen. »Ich würde nicht darauf wetten«, sagte er und gähnte herzhaft.
»Die arme Frau«, sagte Helen. »Sie hat Besseres verdient.«
»Ja«, stimmte Carlyle zu. »Das hat sie.«
Zweiunddreißig
»Dein toter Freund ist hier.«
Carlyle hatte sich beim Mittagessen im Il Buffone Zeit gelassen, als ihn ein Anruf von Dave Prentice erreichte, der wieder an seinen normalen Platz hinter dem Empfangstisch in der Polizeistation Charing Cross zurückgekehrt war.
»Keine Angst«, sagte Prentice und lachte, »es sieht so aus, als wollte er sich zu einer netten langen Ruhepause niederlassen. Falls er sich nicht in die Hose macht, lasse ich ihn in Frieden.«
»Danke, Dave. Ich bin in etwa zehn Minuten da.« Der Inspector kehrte wieder zu der Story mit der Überschrift GESCHLECHTSWECHSEL: POLIZEISKANDAL zurück, die er in der Zeitung von diesem Morgen gelesen hatte. Es ging um die finanzielle Unterstützung der National Trans Police Association mit Steuergeldern, ein Verband, der Polizeibeamten mit »Problemen der Geschlechtsidentität« half. Car-
lyle hatte noch nie davon gehört. Irgendein kommentierungssüchtiger Parlamentarier, von dem er auch noch nie gehört hatte, beklagte sich: »Mir ist es egal, ob ein Polizeibeamter schwul, hetero, transsexuell oder sonst was ist. Ich will nur, dass er Verbrecher schnappt.« Viel Glück damit, dachte Carlyle amüsiert, während er Marcello die Zeitung zurückgab und sein Mittagessen bezahlte.
Draußen war ein wunderschöner Nachmittag, und er ließ sich Zeit damit, zurück zu seinem Arbeitsplatz zu schlendern. Als er sich der Jubilee Hall näherte, spürte er Gewissensbisse: Es war fast eine Woche her, seit er das Fitnessstudio besucht hatte, und das war in seinem Alter nicht genug. An Dennis Felix’ altem Stammplatz kam er an einem Straßenmusikanten vorbei, der etwa einem Dutzend gelangweilt aussehender Touristen eine schreckliche Interpretation von Abbas »Fernando« vorspielte. Er überlegte kurz, was mit dem armen Kerl und seinen anthraxinfizierten Bongos wohl geschehen war. In dem Imbisswagen überreichte ein Jungeeinem erwartungsvollen Kind ein Eis. Von Kylie – dem einzigen Menschen auf dem Planeten, der sich Dennis’ Tod zu Herzen zu nehmen schien – war nichts zu sehen. Das ist so ein Laden, dachte Carlyle. Die Leute kommen und gehen.
Als er in die Station kam, fand er Walter Poonoosamy alias »Dog« in
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