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Letzte Reise

Letzte Reise

Titel: Letzte Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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ständig gefährdeten der Zeitmangel oder das Verhalten der Eingeborenen oder Diebstähle seine Pläne. Er war schon streng, fand ich. Fanden wir alle.«
    »Grausam?«
    Isaac schwieg. Sie spazierten an dem mattgrauen Fluß entlang. Wie ich das Wasser hasse, dachte Elizabeth, warum ziehe ich nicht woandershin, zwischen Wiesen und Wälder, möglichst weit fort von diesem furchtbaren Fangarm der See.
    »Er schien manchmal außer sich zu sein vor Wut«, sagte Isaac leise. »Jemand hatte eine Ziege gestohlen, und das machte ihn rasend. Er gab den Auftrag, den Dieb kahlzuscheren und ihm die Ohren abzuschneiden. King hat den Barbier noch im allerletzten Moment darin hindern können und ließ den armen Mann über Bord springen. Ich sollte dir das vielleicht nicht erzählen. Wir verstanden es nicht. Wenn er wirklich rot sah, ließ er Kanus zerstören und Hütten anzünden. An so einem Kanu arbeiten die Menschen dort Jahre. Prächtige Boote, mit Bemalungen und Schnitzereien. James hatte große Achtung davor. Und dennoch diese Zerstörungen. Das war natürlich schon grausam. Aber aus Wut, aus Ohnmacht. Nicht, daß ihm die Grausamkeit etwa Vergnügen bereitet hätte. Verstehst du?«
    Sie nickte. »War noch etwas? Andere Dinge, die dir Sorge machten?«
    Ich muß aufhören, dachte sie. Es ist ihm unangenehm, das sehe ich ihm an. Sein Kapitän, Lehrmeister, Vater. Aber wenn er nichts erzählt, haben wir uns bald nichts mehr zu sagen, vielleicht für immer. Das möchte ich auch nicht.
    »Was ich viel grausamer fand, sind die Geiselnahmen«, sagte Isaac. »Ich weiß, daß viele es für eine kluge Strategie hielten, denn es führte eigentlich immer zu einer Lösung ohne Blutvergießen. Aber ich fand das grausam. Die Geiseln hatten doch nichts getan. Sie litten Angst. Der Falsche wurde bestraft. Als wir Omai endlich untergebracht hatten, fuhren wir nach Raiatea, du weißt schon, wo Orio König ist. James und er sind Freunde. Waren Freunde. Sie hatten die Namen getauscht. Es war die letzte Insel des Archipels, wo wir anlegten. Viele Männer taten sich damit schwer, sie wollten bleiben und machten sich davon. Zwei von den Deserteuren waren unauffindbar, James vermutete, daß sie von der Bevölkerung versteckt und geschützt wurden.
    Da hat er Orios Tochter, Poetua, als Geisel genommen. Es dauerte fünf Tage, während der ihr Vater die Entlaufenen aufspüren mußte. Und die ganze Zeit saß die wunderschöne Prinzessin in der großen Kajüte. Überdies war sie schwanger. Webber hat sie gemalt, wo sie ohnehin da sei, sagte er. Sie mußte sich Blumen hinter die Ohren stecken und sich an eine Wand stellen. Sie tat alles, was ihr aufgetragen wurde, ohne Protest. Ich habe es gesehen, denn ich arbeitete an einer Karte und brauchte Tabellen aus der Kajüte.
    Die Frauen des Dorfes versammelten sich um das Schiff, in unzähligen Kanus. Sie standen aufrecht und weinten und schrien. Sie kratzten sich das Gesicht mit scharfkantigen Muschelschalen auf, so daß ihnen das Blut über den nackten Leib rann. Das Kreischen war schon in der Kajüte nicht zu ertragen. Aber draußen war es ganz und gar ohrenbetäubend. Poetua blieb ruhig und höflich. Würdig, wie eine wahre Prinzessin. Die Männer schielten natürlich auf ihre Brüste. Ich hoffte die ganze Zeit, daß James sie freilassen und das grauenhafte Geschrei endlich verstummen würde. Er tat es aber nicht, sondern gab den Auftrag, ein Stück aus der Bucht hinauszufahren. Das war der einzige Moment, da ich Angst in Poetuas Gesicht sah. Sie fürchtete, glaube ich, daß man sie nach England bringen und sie ihren Vater nie wiedersehen würde. Wo sie doch an nichts schuld war!«
    Sie gingen ein Weilchen schweigend nebeneinander her.
    »Du wirst jetzt gewiß befördert«, sagte Elizabeth.
    Isaac lachte. »Von der Vorpiek rücke ich langsam weiter auf. Bei der nächsten Reise darf ich im Mittelbug schlafen, denn ich denke schon, daß sie mich jetzt zum Leutnant machen. Und dann ist der Weg frei, um schließlich als Kapitän aufs Achterdeck zu kommen. Mich graut allerdings schrecklich vor diesem Krieg. Keine Entdeckungsreisen mehr, sondern gegen die Franzosen kämpfen, wenn ich Pech habe.«
    »Mit wem war James denn nun wirklich befreundet?«
    Isaac dachte kurz nach. »Mit Gierke kam er gut aus. Der konnte ihn aufmuntern. Aber Clerke war auf dem anderen Schiff, sie sahen sich nur, wenn wir irgendwo an Land gingen. Auf der Resolution fühlte sich James, glaube ich, mit Anderson am wohlsten. Also dem Arzt. Der

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