Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Reise

Letzte Reise

Titel: Letzte Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
Vom Netzwerk:
Erfolgsgeschichten. Wie es wirklich war, finde ich nicht heraus. Das kannst du mir vielleicht erzählen.«
    Isaac schwieg. »Muß das nicht raus?« fragte er nach einer Weile, auf den Ofen zeigend. Elizabeth öffnete die Klappe, zog das Backblech heraus und stellte es in der Waschküche auf ein Regalbrett. Tür zu, Gestank weg, Fenster wieder schließen.
    »Ob James die Reise Vergnügen machte, habe ich King gefragt. Er wußte nicht viel darauf zu antworten. Und du, Isaac?«
    Isaac stützte die Ellbogen auf dem Fisch auf und bettete den Kopf in die Hände.
    »Ein unheimliches Theater mit den Tieren war das. Schrecklich. Der Kapitän, James, meine ich, wurde fuchsteufelswild, wenn sie ein Tier stahlen. Aber als wir diese elenden Pferde endlich auf Tahiti an Land bekommen hatten, galoppierten Gierke und er zusammen am Strand entlang. Die Bucht dort hat einen mindestens einen Kilometer langen schwarzen Strand. Über den ritten sie, immer schneller, am Ende machten sie eine rasche Wende, die Pferde richteten sich auf den Hinterbeinen auf, als stünden sie aufrecht, der Sand spritzte auf wie eine Fontäne, und James lachte aus voller Kehle; lachend ließen sie die Pferde über den nassen Sand zurückpreschen, unmittelbar an der Brandung entlang. Die Insulaner sahen mit offenem Mund zu. Und wir auch. Wir hatten James noch nie so ausgelassen gesehen.«
    Sie sah es vor sich, sie hörte die an den Strand spülenden Wellen und die Pferdehufe, die dumpf auf den Sand stampften, angetrieben von den Kapitänen, die jetzt alle beide tot waren.
    So einfach ist es, im Gefühl der Vergeblichkeit zu versinken, dachte sie. Nichts ist von Belang, nichts spielt irgendeine Rolle. Meine Wißbegierde ist ein Floß, an dem ich mich testklammere, aber genausogut kann ich mich ins Wasser gleiten lassen. Nein, das kommt für mich nicht in Frage. Es ist meine Aufgabe herauszubekommen, wie James gestorben ist. Und warum. Das muß einfach geschehen.
    »War er krank, Isaac?«
    Isaac erhob sich. »Du solltest selbst aufpassen, daß du nicht krank wirst. Wollen wir ein Stückchen laufen? Komm, ich nehme dich mit, ob du willst oder nicht. Zieh dir was an.«
    Sie ließ sich führen. Ein Wolkenfeld hing tief über dem Fluß. Sie sog die feuchte Luft ein und hielt sich an Isaacs Arm fest. Schritt für Schritt. Sie wiederholte ihre Frage.
    »Ich weiß nicht so recht«, sagte Isaac. »Er hatte mitunter Schmerzen. Rheuma, Gicht, irgend so etwas. Dann konnte er sich kaum bewegen. Die Tahitianer kannten ein Mittel dagegen, kaum zu glauben! Es kam ein Kanu voller Frauen, die am Schiff heraufkletterten und sich in die Kajüte drängten, James mußte sich auf den Boden legen – wir fragten uns noch, ob er nun endlich einmal der Versuchung erliegen würde, schon ein seltsamer Anblick, Elizabeth, so eine Horde junger Mädchen und Frauen mit nackten Brüsten und bemaltem Gesäß –, sie wimmelten auf ihm und um ihn herum und begannen ihn feste zu massieren. Man hörte seine Knochen knacken! Er schrie vor Schmerzen, aber die Frauen lachten ihn aus und fuhren ruhig mit ihrer Arbeit fort. Eine hockte mit ihrem vollen Gewicht auf seinem Kreuz, eine andere puffte ihn mit ganzer Wucht in die Hüfte, zwei weitere zogen ihm fast das Bein aus dem Gelenk, und er ächzte und stöhnte nur so. Als sie fertig waren, stand James mühelos auf, wie ein junger Mann. Die Frauen blieben in dieser Nacht an Bord und wiederholten die Behandlung noch einige Male. Sie haben James von seinen Schmerzen erlöst.«
    Er warf Elizabeth einen Seitenblick zu. »Ob sie ihn noch von etwas anderem erlöst haben, weiß ich nicht. Wir hatten alle Freundinnen, sie waren so gastfreundlich, so fürsorglich und lieb, manche von uns wollten gar nicht mehr fort. James war dagegen. Selbst wenn ihm eine Frau angeboten wurde, das ist die dortige Form von Höflichkeit, weißt du, lehnte er das mit einem kleinen Scherz ab und sagte, dafür sei er zu alt, zu kraftlos.«
    Elizabeth setzte einen Fuß vor den anderen. Sie sollte beruhigt sein, ihr Mann war ihr treu gewesen, selbst wenn er von einem Dutzend nackter Frauen besprungen wurde, doch sie wurde die vage Unruhe in ihrer Brust nicht los.
    »Wie war er, Isaac, hast du viel mit ihm geredet, hat er dich aufgesucht, war er freundlich?«
    »Manchmal arbeiteten wir zusammen an einer Karte, dann lud er mich in die große Kajüte ein. Das war schön. Er sagte nicht viel. Wir saßen zusammen und maßen und skizzierten. Aber oft war das nicht. Er stand unter Druck,

Weitere Kostenlose Bücher