Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Letzte Reise

Letzte Reise

Titel: Letzte Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
Vom Netzwerk:
Überbleibsel auf dem Schoß zu haben.
    »Ja, ich sehe! Ihr Pelz, ab in Körbchen! Ihr kauft Schönheit von Seelöwe. Ich sehe.«
    Sie schüttelte den Kopf und versuchte, das schwere Fell zusammenzulegen und dem Mann zurückzugeben. Er sah sie enttäuscht an und schien nicht gewillt, ihr die Last abzunehmen. Da legte sie die Haut auf den Boden, neben die Tasche.
    »Ihr seid bekannt mit Admiralsfrauen. Sie kaufen alle meine Häute. London kalt. Ihr gebt Namen von berühmten Frauen, ich bringe Wärme. Alle froh. Ich habe Euch Brief gebracht, und nun bin ich müde in fernem Land. Kein Geld mehr. Muß handeln. Ihr helft. Wir helfen gegenseitig! Aber zuerst: Bett für Nacht. Bei Euch. In großem Kapitänshaus.«
    Na, lieber nicht, dachte Elizabeth. Sie mußte sich ermannen, um bei diesem Ansturm einen guten Plan fassen zu können. Zuerst etwas geben, dann erst wegschicken. Nicht andersherum. Aber wer, um Himmels willen, würde ihm diese fürchterlichen Felle abnehmen wollen?
    »Banks«, sagte sie dezidiert. »Ihr müßt morgen früh gleich zu Joseph Banks gehen. Er ist der wichtigste Mann in London, ein Freund unseres Königs. Er besitzt die größte Kennerschaft und das größte Interesse in bezug auf Tiere und ihr Fell. Ihre Haut. Ich werde Euch die Adresse aufschreiben. Er wird beglückt sein über Euren Besuch.«
    Das Aufstehen, um ein Blatt Papier zu holen, durchbrach die Beklemmung des Gesprächs. Die Feder noch in der Hand, rief sie Charlotte herein.
    »Der Herr ist weit gereist, er verdient eine gute Nachtruhe.«
    Charlotte blickte verdutzt auf die quer im Zimmer ausgebreiteten Tierfelle.
    »Mütze für Euren Kopf?« fragte der Händler hoffnungsvoll. »Muff vielleicht? Hier ist Steppenkaninchen, Schneehase. Weiß!«
    Elizabeth zog ihren Geldbeutel unter dem Rock hervor. »Wir können Euch leider keine Unterkunft hier im Haus anbieten, aber ganz in der Nähe, am Fluß, findet Ihr eine Reihe guter Gasthäuser. Zwei Minuten zu Fuß. Charlotte wird Euch den Weg weisen. Es ist nicht schwer zu finden. Darf ich einen Beitrag zu den Kosten liefern?«
    Sie drückte dem Mann das Geld in die Hand, bevor er etwas entgegnen konnte. Sie blieb stehen.
    Der Wolf verschwand wieder in der Reisetasche. Der Seelöwe. Der Hase. Boris Chlebnikow ergriff ihre Hand und küßte ihren Handrücken. Seine überraschend standfesten Schnurrhaare kitzelten auf ihrer Haut, und sie mußte schmunzeln. Charlotte nahm den Mann und seine Pelzschätze mit.
    Bevor sie mit dem dreiarmigen Kerzenleuchter nach oben ging, holte sie noch ihre Schere aus dem Stickkorb. Im Schlafzimmer setzte sie sich auf die Bettkante. Vorsichtig schnitt sie die schwarzen Stiche auf und bog das steif gewordene Segeltuch auseinander. Aus einem versiegelten Kuvert, auf dem wiederum ihr Name stand, befreite sie schließlich einige dicht beschriebene Seiten. Sie zog den Leuchter heran und las.
    Verehrte, geschätzte Elizabeth!
    Erlaube mir, daß ich Dich so nenne. Ich schreibe von der Resolution, vor Anker bei der Halbinsel Kamtschatka an der sibirischen Küste. Gestern habe ich dem hiesigen Gouverneur, dem zuverlässigen und beflissenen Major Behm, das kostbare Journal meines seligen Kapitäns mitgegeben, nebst einigen Karten, den astronomischen Beobachtungen Baylys, einem Bericht über die unglücklichen Geschehnisse aus der Feder Leutnant Kings und einen Brief von mir selbst. Behm reist nach Sankt Petersburg und wird Sorge dafür tragen, daß die Dokumente zügig und sicher an die Admiralität in London versandt werden. Dann wird die furchtbare Nachricht auch Dich und Deine Kinder erreichen, und mir bricht das Herz, wenn ich mir diese Szene vorstelle.
    Über einen separaten Brief an Dich habe ich lange nachgedacht. Die Schwindsucht hat ihre Klauen in meinen Körper geschlagen, und ich weiß, daß ich nicht von dieser Reise zurückkehren werde. Wie gerne hätte ich Dir unter vier Augen erzählt, was wirklich am Strand von Hawaii stattgefunden hat, doch es soll nicht sein. Jetzt ist meine Kraft noch ausreichend, um selbst die Feder zur Hand zu nehmen und sicherzustellen, daß mein Brief an Dich Mile End unter Umgehung aller offiziellen Kanäle erreichen wird. Du wirst dann zweifellos bereits die Version der Admiralität über den Hergang vernommen haben.
    Warum ich Dir dennoch schreibe? Weil Du ein Recht auf die Wahrheit hast. James sprach mit dem größten Respekt von Deiner Wahrheitsliebe. Das gibt mir den Mut zu diesem Brief.
    James hat sein Leben der Beobachtung der

Weitere Kostenlose Bücher