Letzte Reise
ausgegangen. Wir müssen die jungen Frauen miteinander in Kontakt bringen, dann helfen sie sich gegenseitig. Passen gegenseitig auf ihre Kinder auf, tun etwas füreinander, geben ein wenig aufeinander acht. Es ist bestimmt eine darunter, die gut nähen und es den anderen beibringen kann. Oder eine, die etwas von Geld versteht. Zweimal in der Woche ein Nachmittag. Ausflüge! Wir können mit ihnen nach Kew fahren.«
Elizabeth hatte Jane bei der Organisation geholfen, war danach aber doch rasch abgesprungen. Die Idee gefiel ihr besser als deren Umsetzung, das merkte sie gleich, als die Frauen zum erstenmal in dem kleinen Saal hinter der Kirche zusammenkamen. Mädchenhaft waren sie noch, kichernd, verlegen, keck, forsch, schlank, kräftig, schwanger. Elly, hatte sie gedacht, sie wäre jetzt fast fünfundzwanzig, sie hätte hier bei uns sitzen können. Die Mißgunst war so heftig und bitter, daß sie aufstehen und eine Weile draußen umherlaufen mußte. Hochsommer war es, die Frauen hatten nackte Arme. Durch das offene Fenster hörte sie Janes Stimme und danach das Plappern der Frauen, ein aufspritzendes Lachen, einen Ausruf. Ich kann das nicht, hatte sie gedacht. Ich sollte das nicht machen, ich verderbe es allen.
Jane hatte sie verstanden und allein weitergemacht. Sie erzählte bei den Donnerstagsdiners von dem Projekt und machte einen zufriedenen Eindruck.
Der alte Organist starb in der Saison, als der auch von ihm bewunderte Haydn nach London kam. Ohne Angst oder Schmerzen entschlief er, kurz nachdem Robert die Sarabande aus der fünften Suite von Bach für ihn gespielt hatte. Jetzt sind Hartlands Erinnerungen an Nat verloren, dachte Elizabeth. Gut, daß er mir so viel erzählt hat, da kann ich daran denken. Sie pflanzte Christrosen auf sein Grab.
Die Musiksaison, die im Herbst 1791 begann, war aufregend. Haydn hatte neue Sinfonien geschrieben, um das englische Publikum zu erfreuen, und Elizabeth hörte sie sich an. Eine langsame, feierliche Einleitung, so daß man geradezu überfallen wurde, wenn rasant das Thema einsetzte. Ein Menuett, so schnell, daß man wohl kaum darauf würde tanzen, sondern höchstens schweben und fliegen können. Das Orchester sah voller aus als sonst. Sie hörte nicht nur Hörner und Oboen, sondern auch Klarinetten, Flöten, Fagotte. In der Mitte hinter seinen Kollegen saß der Paukist, er sah dem Dirigenten geradewegs ins Gesicht. Der klare, durchdringende Klang der Trompeten versetzte sie unvermittelt in Gedanken an die Unschuld und den Ernst ihres musikalischen Sohnes.
»Es ist zuviel für dich«, sagte Isaac. Aber sie wollte alles hören. Er ergriff ihre Hand, wenn es ihr zu arg zu Herzen ging. Es war eine schöne Saison.
Der Sommer überraschte alle. Es wurde einfach nicht warm. Die Pflanzen wuchsen nur bis zu ihrer halben Höhe und verfaulten dann im Schlamm. Eisige Regenschauer geißelten das Land, und die Tiere krochen an den Steinmäuerchen um die Felder zusammen. Martin, der den Garten schön herrichten wollte, wußte sich keinen Rat mehr.
»Laß es«, sagte Elizabeth. »Vielleicht bekommen wir einen schönen Herbst. Sonst warten wir aufs nächste Jahr. Es ist nicht schlimm.«
Weil es herbstlich dunkel war, hatte sie schon mittags die Lampe an. Sie las. Sie schrieb an Frances, an Douglas, an Robert. Sie dachte nach.
Die Männer, die sie bei ihren Nachforschungen zu James' Schicksal hätte zu Rate ziehen können, waren einer nach dem anderen gestorben. Gierke schon vor langer Zeit, danach King, kürzlich Burney und Gore. Es hätte sie beunruhigen müssen, doch es tangierte sie nicht, so als sei ihr Verständnis von James nicht von Fakten abhängig, die ein anderer ihr hätte erzählen können, als liege alles Material schon bereit und es gehe nur noch darum, die Fragmente in einen neuen Zusammenhang zu bringen. Sie konzentrierte sich, ließ das Buch in ihren Schoß sinken und schloß die Augen, um durch nichts abgelenkt zu werden. Ehe sie sich's versah, dachte sie über die ertrunkenen Anemonen nach, das Menü für Donnerstag, den Zustand des Kaminfeuers. Dann ging sie eben nach draußen und lief durch Wind und Regen, damit sie zumindest etwas spürte, Kälte, die ihr in die Wangen biß, Nässe auf ihren Schultern, die Schwere ihrer schlammigen Schuhe. Zeit, dachte sie, es ist doch Zeit. Nicht alles muß jetzt gleich sein. Ich kann mit Isaac schwatzen, Jamie zusehen, wenn er auf seinem Pferd umhertrabt. Tun, was zu tun ist. Nicht mehr.
Bennys achtloser kleiner Satz über
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