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Letzte Reise

Letzte Reise

Titel: Letzte Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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man denke nur an den Erfolg des Stücks über Omai vor einigen Jahren. Das Stück über James werde jetzt in Covent Garden aufgeführt, mit Musik, Ballett und prächtigen Kostümen mit Flitter und Federn. Drei Akte! Die Handlung sei Unsinn, sagte Robert, irgend etwas mit einer Liebesgeschichte und einem eifersüchtigen Liebhaber, James setze sich für diesen oder jenen ein und werde ermordet. Es habe weder Hand noch Fuß, aber die Musik sei wunderschön, sehr gut ausgeführt auch. Auf der Bühne habe man einen Vulkan aufgebaut, der im dritten Akt echten Rauch ausstoße.
    Über den Tisch hinweg suchte Elizabeth Isaacs Blick. Sie sahen einander an und schüttelten beide fast unmerklich den Kopf. Diese Aufführung würden sie nicht besuchen.
    Das Gespräch über die Revolution in Frankreich klang in ihr nach. Wie der Henker dem Opfer die Haare im Nacken wegschnitt. Wie das Messer der Guillotine herunterfiel. Wie der Körper auf einmal kein Ganzes mehr war. Sie konnte den Gedanken an James' Ende nicht zurückhalten; mit Messerund Beil hatten sie ihn in Stücke gehackt, wie ein Schwein, das sich sechs Familien teilten. Der Fleischer verstand etwas von Gelenken und schnitt Sehnen und Bänder so durch, daß jeder das Seine bekam. Ihr wurde übel. Ihr wurde kalt. Wie konnte er es so weit kommen lassen? Warum mußte er alles, was er erreicht hatte, so achtlos verlorengehen lassen?
    Sie zwang sich, Isaac zuzuhören, der von den Freuden der Kartographie sprach, dem Glücksgefühl nach einer gelungenen Zeichnung von einer unbekannten Küste, der Zufriedenheit, wenn man eine Insel nach ihrer Umsegelung komplett kartieren konnte.
    »Die ganze Welt kann man zeichnen, und das wird auch geschehen. Jede Entdeckungsreise liefert einen Schatz an Fragmenten, und dank der genauen Ortsbestimmung seit der Erfindung des Chronometers können wir sie alle miteinander verbinden. Wie Steinchen eines Mosaiks. Was wir gezeichnet haben, besteht. Ich hatte furchtbar schlechte Laune, wenn wir uns von der Küste entfernen mußten, zu weit, um noch etwas erkennen zu können. Ärgerlich, daß hinter Nebel und Wolken eine Landschaft liegt, die man nicht zu sehen bekommt, James haßte das auch, er segelte manchmal zurück, wenn das Wetter aufklarte. Die Männer nahmen ihm das übel, aber ich verstand es.«
    »Alan muß alles durch seine Hände gehen lassen«, sagte Robert. »Mit der Musik ist das genauso. Jede Note muß man spielen, man streicht sie an, und dann besteht sie, dann ist sie dagewesen, auch wenn man sie nicht mehr hört. Deshalb möchte ich alle neuen Sinfonien von Haydn spielen, gleich, wenn er sie geschrieben hat. Es ist, als könnte ich sie zum Leben erwecken.«
    Isaac schien kaum zu hören, was der Musiker sagte. Er sah Elizabeth unverwandt an und sprach weiter, über James.
    »Du hättest ihn sehen sollen, wenn Land in Sicht kam! Er konnte das schon aus großer Entfernung vermuten, er sah das am Wellenschlag, an der Farbe des Wassers. Dann schickte er jemanden zum Ausguck hinauf. Nach einer Weile kamen die Vögel, dann wußten wir, daß etwas in der Nähe sein mußte, wo sie ausruhen konnten. Oder es trieben Äste im Wasser, ein Baumstamm, eine Kokosnuß. Dann schrie der Matrose von der Mastspitze herunter, und wir stellten uns an die Reling und spähten, bis die Küste am Horizont auftauchte. James dachte sich einen Namen aus. Er taufte die Insel und fügte sie dem hinzu, was wir bereits wußten. Dann war er glücklich. Wir haben heute Gewinn gemacht, sagte er zu mir, die Unwissenheit um ein kleines Fragment Wissen erleichtert; nimm deine Bleistifte und zeichne sie! Er hat einen Standard gesetzt. So machen wir es bis heute. Oder so würden wir es machen, wenn wir nicht ständig Krieg führten.«
    Isaacs Wangen hatten sich gerötet. Elizabeth löste sich von seinem Blick und schaute auf ihren Schoß. Alles hat er gewonnen, Ruhm, Ansehen, Akzeptanz in Kreisen, in denen er nichts zu suchen hatte. Eine Familie. Zur See fahrende Kinder. Die Freiheit zu entscheiden, was er auf sich nehmen wollte und was nicht. Alles gewonnen, alles verloren. Er segelte mit der Zeit, gespannt, was nun wieder am Horizont auftauchen würde. Auf Hawaii, der letzten Insel, ist er aus der Zeit gefallen und hat nicht mehr in sein Logbuch geschrieben. Gab es keine Fragmente der Wirklichkeit mehr, die er seinem Wissenskorpus hinzufügen mußte? Hatte die Uhr ihre Wichtigkeit verloren? Wodurch?
    Ich kenne das, dachte sie, ich bin selbst aus der Zeit gefallen, als die

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