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Letzte Reise

Letzte Reise

Titel: Letzte Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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auch Jahr für Jahr befruchtet und war dann wie ein wahrer Bauer gegangen, um zurückzukehren, wenn Erntezeit war. Mißernte. Fäulnis. Es mußte ihn geschmerzt und gekränkt haben. Mehr als das.
    »Auf den meisten Südseeinseln ist das Klima so günstig, daß man mindestens zweimal im Jahr ernten könnte. Deshalb wächst dort auch ohne irgendwelche Anstrengungen der Bevölkerung genug. Wer Hunger hat, wirft einen Stein hoch, und dann fällt eine Kokosnuß herab. Den Boden umgraben, damit Luft hineinkommt, Raum für Würmer und Insekten, die Samen nicht gleich aufessen, sondern in die Erde legen, zudecken, bewässern, jäten – immer wieder habe ich es erklärt und vorgemacht. Selten wurde es begriffen. Etwas vorauszuplanen und die zeitliche Verzögerung auszuhalten ist keine leichte Sache. Sie rissen die Trauben von den Ranken, wenn sie noch klein wie Wassertropfen waren, und spuckten das saure Zeug dann mit schiefen Fratzen wieder aus. Versuch das mal zu erklären in einer Sprache, die du eigentlich nicht beherrschst.
    Auf dieser Reise habe ich einige Plantagen vom letzten Mal wiedergesehen: verwildert, verwahrlost. Ganz vereinzelt hatte sich eine Senfpflanze oder ein Kürbis behauptet und war gewuchert. Aber meistens war gar nichts mehr zu finden. Eigentlich müßte Omai das Gärtnern lernen und dabeibleiben, bis geerntet werden kann. Doch ihm fehlt der richtige Charakter dafür. Bei ihm muß auch immer gleich etwas dabei herauskommen. Schade.«
    Sie tranken weiter von dem berauschenden Port. Zuhören, dachte sie. Es ist wichtig, wenn ich auch nicht verstehe, warum. Ich höre die Leidenschaft. Ich sehe ihn vor mir, wie er nach einem ebenen Stück Land Ausschau hält, wo er die Pflanzen setzen kann. Die Matrosen schwimmen mit den einheimischen Mädchen in der Bucht, Geschrei und Gekicher, auch dort wird gesät. James wendet sich verärgert ab, er befürchtet die Verbreitung von Krankheiten, kann aber nicht verhindern, was dort geschieht. Nein, er wird sich nicht mit der Prinzessin unter die Palmen zurückziehen, das brauche ich nicht zu befürchten; er treibt seinen aus England mitgebrachten Spaten in den Boden und gräbt das fremde Land um. Dahinein wirft er sorgsam den ausgewählten Samen, mit einem von seiner Mannschaft unverstandenen Ernst.
    Sie nickte. Er sah sie aus seinen tiefliegenden Augen, die im Lampenlicht beinah schwarz aussahen, freundlich an. Sie würde ihm helfen, sie mußte, nein, sie wollte ihm helfen, dieses neue Buch zu einem Erfolg zu machen. Ein Buch, das auf jeder Seite Zeugnis ablegen würde von seiner Seemannskunst und seiner Sorgsamkeit, ein Buch, das sprühen würde von seinen Ideen zu Nahrungsmittelanbau und Ernährung, so daß sich ihnen keiner mehr verschließen konnte. Morgen.
    Ein Poltern in der Küche störte ihren Gedankengang. Nat kam herein, den Geigenkasten auf dem Rücken. Seine Haare waren feucht vom Nebel.
    »Hast du schön gespielt?« fragte Elizabeth. »Du warst so lange fort.« Er brummte etwas und sah sie nicht an. Sein Blick schweifte über den Tisch, auf dem die Portweinflasche und die geschliffenen Gläser funkelten. Er drehte sich um und brachte seine Geige weg. Diese schmalen Schultern, dachte sie, diese viel zu langen, viel zu dünnen Beine. Was soll nur werden aus diesem Kind? Vor wenigen Monaten kam er noch zu mir ins Bett geschlüpft, und jetzt will er mich nicht sehen.
    »Zu Bett, Junge, es ist Zeit«, sagte James. »Schlaf gut!«
    Nat blieb kurz im Türrahmen stehen und sah seine Eltern an. Er schluckte, schien etwas sagen zu wollen, rannte dann aber die Treppe hinauf.
    Noch ein Glas. James legte die Hand an ihre Wange, als er ihr einschenkte. »Er wird sich schon wieder fangen. Es ist für ihn auch gewöhnungsbedürftig, so ohne Bruder und mit Vater. Bis morgen ist es wieder vorbei. Wir achten von jetzt an besser auf die Mahlzeiten.«
    Sie schaute von ihrem Stuhl aus zu ihm auf. Für einen Mann, der so aufs Essen fixiert war, sah er schon sehr mager aus. Er hatte abgenommen, seit er wieder zu Hause war. In ihm brannte das Feuer stärker als bei anderen Menschen.
    Er saß wieder. Sprach davon, welche Mühe es kostete, die Männer ausreichend mit frischem Fleisch zu versorgen.
    »Wenn wir vor Anker liegen, können sie fischen, dann ist eher zuviel als zuwenig da. An Land beginnen wir meistens sogleich zu handeln. Schweine im Tausch für Glasperlen, Messer, Stoffe. Das Problem liegt vor allem in den langen Überfahrten; Wochen, manchmal Monate, ohne eine

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