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Letzte Reise

Letzte Reise

Titel: Letzte Reise Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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schwanger.«
    Sie folgte ihm schweigend. Draußen atmete er tief ein, und sie sah, wie seine Wangen Farbe bekamen. Er winkte dem Kutscher und half ihr einsteigen. Gespannt schaute er aus dem kleinen Fenster; er sucht Wasser, dachte sie, und ja, er zeigte zum Fluß in der Ferne, sobald er ihn sah.
    Sie blieben noch vor dem Haus stehen und blickten der Kutsche nach, in der eiskalten Nacht. Ein neues Jahr hatte begonnen.
    Liebe Frances, schrieb Elizabeth, ich habe schon so lange vor, Dir zu schreiben, aber der ganze Tisch lag voll mit den verschiedenen Passungen von James' Journalen, mit Atlanten und Karten und Notizzetteln, die ich nicht wegzuräumen wagte. Jetzt haben wir alles mehr oder weniger geordnet und untergebracht. Die neue Fassung des Reiseberichts wurde zur Korrektur an Herrn Douglas geschickt. Er schreibt James immer wieder, daß er sich mit ihm beraten und die Verbesserungen mit ihm durchsprechen möchte, aber James überläßt alles ihm. Er ist froh, daß er davon befreit ist, glaube ich, obwohl er Wert darauflegte, es diesmal selbst zu machen. Ich habe ihm natürlich geholfen, darauf hatte ich mich wirklich gefreut, aber es wurde dann doch nicht so, wie ich es mir vorgestellt hatte. James fühlte sich nicht wirklich wohl dabei, ich hatte den Eindruck, daß er die Leser schon über seine Schulter blicken spürte und deshalb nicht frei war, so zu denken und zu schreiben, wie es ihm in den Sinn kam.
    Ich versäume völlig, mich nach Dir zu erkundigen, wie Du mit dem Sturmwetter zurechtkommst, mit Deinem Mann, mit der politischen Unruhe in Deinem neuen Land. Wir lasen hier; daß Euer Befehlshaber George Washington unserem König einen Versöhnungsbrief geschickt hat. Ich glaube nicht, daß es etwas genützt hat. Statt der so gewünschten Unabhängigkeit habt Ihr immer noch Krieg!
    Wenn ich an Dich denke, was ich oft tue, vermisse ich Dich vor allem. Ich werde Dir auf immer dankbar sein für die Zusammengehörigkeit hier im Haus, wir beide und die Kinder. Seit Du fort bist, habe ich keine richtige Freundin mehr. Natürlich verkehre ich mit den Nachbarinnen und mit den Frauen von James' Kollegen, doch das sind oberflächliche Freundschaften, wenn man sie überhaupt so nennen kann, durch die Umstände bedingt. Ich erzähle nie, was mich wirklich beschäftigt. Nur manchmal, in schwachen Momenten, Hugh Palliser gegenüber. Aber den kann man nun wahrlich keine Freundin nennen!
    Jamie scheint sich auf der Seefahrtsschule sehr gut zu machen. Er war Weihnachten zu Hause, größer, muskulöser und mit seinen neuen Weisheiten prahlend. Über Nat mache ich mir Sorgen, die ich nicht mit James teilen kann. Nat ist ein verletzliches Kind, ich sehe, daß er über allem möglichen brütet, aber er sagt nichts. Seit James zurück ist, ist Nat mir ferner. Er hat sich zurückgezogen. Oder ich bin anders. Manchmal glaube ich, er weiß, daß ich schwanger bin. Ich habe noch nichts gesagt, aus Angst, es könnte ihm zusetzen. Eigentlich hat er nur erlebt, daß Kinder kamen, die wieder starben. Jedes Jahr war eines tot, und ich konnte eine Zeitlang nicht wirklich für ihn dasein. Ich zögere, ihn zu belasten, sehe ihn aber auf meinen Bauch schielen. Soll ich mit ihm reden? Die Musik ist sein einziger Trost, und kommenden Sommer, wenn auch er nach Portsmouth muß, wird er sie verlieren. Ich denke an die Abende, da Du für ihn gesungen hast, wie glücklich ihn das machte. Was ist es doch schwer, zu wissen, wie man handeln soll!
    Wir bleiben hier in Mile End wohnen. James hat im Hospital nichts zu tun, und wir wollen uns gern unsere Selbständigkeit bewahren. Sein Posten ist eine Sinekure, höchstens einmal im Monat tagt er mit den anderen Direktoren. Auch um ihn mache ich mir Sorgen. Nach dem Weihnachtsessen hatte er eine akute Magenverstimmung, über die ich sehr erschrak. Er hat seit seiner Rückkehr stark abgenommen und sieht angespannt aus. Er möchte nicht darüber reden und sagt, er sei völlig gesund. In seinen Büchern las ich, daß er auf der Reise ernstlich krank gewesen ist und tagelang mit rheumatischem Fieber im Bett gelegen hat. Er konnte nicht einmal etwas essen! Ich denke, das englische Essen tut ihn gut, aber ich weiß nicht, ob das auch so ist.
    Gestern fuhr er aufgeräumt zur Werft, wo Palliser ihn erwartete. Sie wollten ein Schiffauswählen, das im kommenden Frühjahr mit der Resolution zusammen auf die Reise gehen soll, vermutlich unter dem Befehl von Kapitän Gierke. Abends kam er enttäuscht zurück. Das Schiff,

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