Letzte Reise
wen Banks so unter ›alle‹ versteht. Grafen und Herzoginnen.«
Die Galauniform heraushängen und ausbürsten, dachte sie. Sie selbst würde ihr Tahiti-Kleid anziehen, eine gute Wahl für eine Gesellschaft, die ein solches Interesse für die Südseeinseln hegte. Und sie paßte gerade noch hinein.
»Er hat bestimmt auch seine Freunde von der Akademie eingeladen«, sagte sie. »Solander wird gewiß dasein, und vermutlich noch andere, die er gern um sich hat. Omai natürlich. Und die Burneys.«
James schnaubte. »Sie meinen es gut, aber sie haben keine Ahnung. Sie glauben, sie seien interessiert, aber ihr Interesse giltvor allem sich selbst. Sie sind ja so froh, daß sie die beste Ausbildung genossen haben, so zufrieden, daß sie alle neuen Bücher lesen und allen Konzerten beiwohnen können – und nun auch noch diese interessante neue Welt, die ihnen in den Schoß fällt, nein, so ein Glück aber auch! Sie benehmen sich, als stünde ihnen das alles rechtmäßig zu. Als ich zu meiner Reise aufbrechen sollte, hielt es der alte Burney für selbstverständlich, daß sich sein Sohn einschiffen konnte, wo der Junge es doch so gern wollte!«
»Aber sie haben Interesse, James«, sagte Elizabeth. »Und der Junge, wie du ihn nennst, hat immerhin eine komplette Ausbildung bei der Marine absolviert. Warum sollte er sich da nicht bei dir melden, wenn er mitreisen möchte?«
James setzte sich, die Hefte im Arm, die er Douglas schicken wollte. Er dachte kurz nach und sagte dann: »Du hast recht. Natürlich muß so ein Junge mit. Das ist es nicht. Er hat sich auch bewährt. Es geht um etwas anderes. Um die Selbstverständlichkeit, mit der diese Leute alles in der Welt für sich beanspruchen. Sie fragen sich nie, ob sie irgendwo willkommen sind, sondern gehen davon aus, daß ein jeder ihnen die Tür öffnen wird. Sie fühlen sich überall willkommen, und dann sind es auch. Zu Hause haben sie eine Bibliothek voll der kostbarsten Bücher, sie lassen sich von den berühmtesten Malern porträtieren, sie sitzen jeden Abend in der eigenen Opernloge und finden das alles ganz normal. Das bringt mich in Harnisch, auch wenn ich weiß, daß sie nichts dafürkönnen.
Als ich zu einer Soiree bei ihnen war, nach der ersten Reise, kam ich mir bäurisch und ungeschickt vor. Ein plumper Seemann. Dazu bestand gar kein Anlaß, denn sie hingen an meinen Lippen, der Vater, der Sohn und diese furchtbare Tochter. Sie stellten gute Fragen und lauschten andächtig auf das, was ich antwortete, aber dennoch kann ich nicht dazugehören. Weißt du, daß ich ihr Exemplar von Bougainvilles Reisebuch verunziert habe? Auf ihren eigenen Wunsch! Der Alte wollte wissen, wie ich um die Erde gefahren war, und da habe ich einen Bleistift aus der Tasche gezogen und meine Route in die Übersichtskarte am Anfang des Buches eingezeichnet. Die Tochter, diese Fanny, hing mit offenem Mund vor Verblüffung über meiner Schulter, weil ich so einfach in ihr Erbstück hineinschmierte, aber kurz darauf kreischte sie, daß dies ein historischer Moment sei und sie die Bleistiftlinie fixieren müßten, damit sie für die Ewigkeit bewahrt bleibe! Siehst du, sie gehen davon aus, daß ihre Bücher und Atlanten für immer in Museumsvitrinen liegen werden!«
Am Tag des Festes setzte er seine Perücke auf und zog die Galauniform an. Die Kutsche fuhr vor, und sie brachen auf. Aus allen Fenstern von Banks' Haus strahlte Licht. Die Türen waren weit geöffnet, Kutscher schrien, Pferdehufe trommelten auf dem Pflaster, und Gäste in farbenprächtiger Gewandung gingen aufgeregt plaudernd die Stufen hinauf. In der Eingangshalle stand Banks und hieß seine Gäste willkommen; sein rundes Gesicht strahlte auf, als er James und Elizabeth sah. Die Männer umarmten sich. Banks drückte seine Befriedigung über James' anstehende Aufnahme in die Akademie aus; noch nie sei ein Mitglied mit solch ohrenbetäubendem Beifall gewählt worden, und wie sie sich auf James' ersten Vortrag freuten, seine Jungfernrede, die ja gewiß von der wunderlichen Sozialordnung auf Tahiti handeln werde, den sexuellen Gewohnheiten der Eingeborenen, den Menschenopfern! James rüstete sich zu einer Antwort, doch Banks war bereits davongesprungen, um neuen Gästen Gehör zu schenken.
James nahm Elizabeths Hand und führte sie unter dem gewaltigen Kronleuchter durch die Eingangshalle und in einen Saal hinein. Auf einem Podest stand Omai und sang. Er trug ein weißes Seidengewand, das eher wie eine römische Toga aussah denn
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