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Letzte Runde in Mac's Place

Letzte Runde in Mac's Place

Titel: Letzte Runde in Mac's Place Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ross Thomas
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andere Dinge nachdenken muß. »Nichts. Er ist tot. Erschossen.«
    Sie biß sich wie zur Buße für die Schroffheit ihrer Frage auf die Unterlippe. »Das tut mir leid. Selbstmord?«
    »Nein«, sagte Keyes, stand auf und schaute auf die Uhr. »Ich bin um fünf, halb sechs zurück.«
    »Bitte sei vorsichtig. Heute morgen bin ich in McLean zweimal ins Schleudern gekommen.«
    »Wie war sie? Du hast gar nichts gesagt.«
    »Dilly?« Muriel Keyes zuckte die Achseln. »Du weißt ja, Dilly ist deprimiert, und Dilly ist mutlos. Vielleicht sogar selbstmordgefährdet. Ihr ist endlich klargeworden, daß er diesmal nicht zurückkommt.«
    »Kann ich ihm nicht verdenken«, sagte Keyes. »Andrerseits würde ich es begrüßen, damit du deinen Posten als erste Händchenhalterin aufgeben könntest.«
    »Arme Dilly«, sagte sie. »Und armer Undean. Hatte er Familie?«
    »Nein.«
    »Er hat allein gelebt?«
    »In Reston.«
    »Wie traurig.«
    Der 43 Jahre alte Sheriff von Fairfax County unterrichtete Hamilton Keyes persönlich in einem kleinen Besprechungszimmer der Stadtbücherei von Reston. Ein dreiköpfiges Team von CIA- Spezialisten war in Undeans Haus noch auf der Jagd nach möglichen Geheimunterlagen. Bei ihrer Suche ignorierten die Männer die Spötteleien der Ermittler vom County-Morddezernat.
    Keyes und der Sheriff saßen an dem zwei Meter langen Konferenztisch, der Sheriff an dem einen, Keyes am anderen Ende. Der Sheriff trug einen dunkelblauen Anzug und eine rot-blaue Krawatte auf dem weißen Oberhemd. Keyes vermutete, daß er am Vormittag in der Kirche gewesen war. Keyes, der seit zwanzig Jahren keinen Gottesdienst mehr besucht hatte, trug, was er häufig sonntags trug: eine graue Tweedjacke, ein sehr altes, ausgefranstes rosa Hemd mit Button-down-Kragen, graue Breitkordhose, ziemlich neu, und glänzende, fünfzehn Jahre alte Korduanleder-Halbschuhe, die dreimal neu besohlt worden waren. Der Sheriff hatte das rosa Hemd mit einem zweifelnden Blick bedacht.
    »Sie wollen's von Anfang an, denke ich«, sagte der Sheriff und brachte ein längliches Notizbuch zum Vorschein, das Keyes an das Handwerkszeug von Zeitungsreportern erinnerte.
    »Ja, bitte.«
    Der Sheriff legte das Notizbuch auf den Tisch, setzte seine goldgefaßte Brille ab, hielt sie gegen das Licht der Neonleuchte an der Decke, um ihre Sauberkeit zu prüfen, und setzte sie wieder vor seine sanftbraunen Augen, die nach Keyes' Einschätzung möglicherweise eine Tarnung waren.
    Das Brillengestell ruhte auf Henkelohren und einer Nase, die fürs Schnüffeln prädestiniert war. Die Ohren waren zum Teil von dichtem rotbraunen Haar verdeckt, das ein Künstler geformt hatte. Unter Brille und Nase war ein breiter, dicklippiger, seltsam blasser Mund, der über einem schmalen Kinn geradezu thronte. Aus zwei Metern Entfernung glaubte Keyes, einen schwachen Hauch von Canoe-Aftershave wahrzunehmen.
    Der Sheriff klappte das Notizbuch auf, studierte es stirnrunzelnd ein paar Sekunden und beschrieb dann mit dröhnender Baßstimme, wie eine männliche weiße Person, die sich als Tinker Burns ausgab, den Notruf 911 gewählt hatte, um den Tod von Gilbert Undean, 67, zu melden. Nachdem zwei Deputys im Haus des Verstorbenen eingetroffen waren, bestätigten sie, daß Mr. Undean tatsächlich tot sei, offenbar aufgrund eines Schusses in die Stirn. Eine rasche Durchsuchung förderte keine Schußwaffe zutage, wodurch Selbstmord praktisch ausgeschlossen war.
    Mr. Burns weigerte sich, den ermittelnden Deputys andere Informationen als seinen Namen, sein
    Alter (66) und seinen ständigen Wohnsitz (Paris, Frankreich) zu geben, bevor er mit seinem Anwalt gesprochen hatte. Der Anwalt traf 57 Minuten später ein und beriet sich mit seinem Klienten. Danach erklärte Mr. Burns sich zu einer Aussage bereit.
    »Wer ist der Anwalt?« fragte Keyes.
    »Howard Mott persönlich.«
    »Na, so was!«
    Der Sheriff zog wieder sein Notizbuch zu Rate und sagte, Mr. Burns habe behauptet, dem Verstorbenen erstmals zwei Tage zuvor bei der Beisetzung eines gemeinsamen Freundes, eines gewissen Steadfast Haynes, begegnet zu sein. Heute morgen habe Mr. Burns spontan beschlossen, den Verstorbenen aufzusuchen, um Erinnerungen an ihren Freund auszutauschen. Als Mr. Burns Reston erreichte, habe er wegen des hohen Schnees gezögert, die steile Straße zu Mr. Undeans Haus hinunterzufahren. Statt dessen sei er zu Fuß weitergegangen. Während er zum Haus des Verstorbenen ging, habe Mr. Burns jemanden herauskommen sehen, der ein Paar

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