Letzte Worte
Gemeinschaftsumkleideraum für sich hatte reservieren können. Die Urinale waren fleckig wie die Zähne einer alten Frau. Die beiden anderen Kabinen waren ekelhaft. Sie stanken nach Exkrementen, egal wie oft sie gereinigt wurden. An diesem Morgen schien der Gestank sich aber nicht auf diese Kabinen zu beschränken. Der ganze Raum stank nach Scheiße. Und es kam alles von oben.
Lena wischte sich mit dem Papierhandtuch den Mund ab. Ihre verletzte Hand schmerzte. Wahrscheinlich bekam sie eine Infektion. Die Haut um das Handgelenk herum fühlte sich heiß an. Sie kniff die Augen zusammen. Sie wollte nicht mehr hier sein. Sie wollte wieder im Bett bei Jared sein. Sie wollte zurückkehren zum gestrigen Tag und Tommy Braham schütteln, bis er ihr die ganze Wahrheit sagte. Warum war er in Allisons Wohnung? Warum durchsuchte er ihre Sachen? Warum trug er eine Skimaske? Warum rannte er davon? Und warum, in Gottes Namen, brachte er sich um?
» Lena? « Marla Simms knarzende Stimme war kaum mehr als ein Flüstern. » Haben Sie einen Augenblick Zeit? «
Lena drückte sich an der Kabinenwand hoch. Es war ihr schmerzlich bewusst, dass der einzige Ort auf diesem ganzen gottverdammten Revier, den sie ihr Eigen nennen konnte, die Toilette war.
Marla stand mit einem zusammengefalteten Blatt Papier in der Hand da. » Alles okay mit Ihnen? «
» Nein « , sagte Lena, weil Lügen sinnlos war. Sie brauchte nur einen Blick in den Spiegel zu werfen, um die Wahrheit zu sehen. Ihre Haare waren zerzaust. Ihr Gesicht war rot und fleckig. Sie war wegen des Schlafmangels völlig durcheinander, und ihre Nerven waren so angespannt, dass sie glaubte zu vibrieren, obwohl sie völlig bewegungslos dastand.
» Agent Trent … « Marla streckte ihr das Blatt entgegen und sah Lena bedeutungsvoll an, als wären sie zwei Spione, die vor dem Kreml Aktenkoffer austauschten. » Das hat er gestern Abend nicht gesehen. «
Lena musste an dem Blatt zerren, bevor Marla es losließ. Sie erkannte ihre eigene Handschrift. Die Kopie stammte aus ihrem Notizbuch. Ihre Mitschrift des 911er-Anrufs. Sie versuchte, die Worte zu entziffern, doch ihre Sicht verschwamm. » Ich dachte, er wollte das Band? «
» Wenn er mehr will als das, muss er selbst nach Eaton fahren, um es zu holen. « Sie stemmte die Hände auf ihre breiten Hüften. » Und Sie können ihm von mir ausrichten, dass ich nicht seine persönliche Sekretärin bin. Weiß auch nicht, was er sich dabei denkt, die Leute so herumzukommandieren. «
Er war der Mann, der ihre Truppe auflösen würde, wenn sie nicht alles taten, was er wollte. » Haben Sie heute Morgen schon mit Frank gesprochen? «
» Ich vermute mal, er kam gestern Abend noch rein. Meine Akten waren ein Saustall, als ich hier eintraf. «
Lena wusste bereits, dass Frank Tommys Handy gestohlen und das Foto aus Allisons Brieftasche genommen hatte, aber bei dieser neuen Information gab es ihr einen Stich. » Welche Akten? «
» Alles. Ich weiß nicht, wonach er suchte, aber ich hoffe, er hat es gefunden. «
» Sie haben Trent diese Einsatzberichte gegeben … «
» Was ist damit? «
» Warum? «
» Niemand will schlecht von den Toten sprechen, aber ich nehme kein Blatt vor den Mund und sage es jedem, der es hören will. Tommy verhielt sich in letzter Zeit nicht korrekt. Er geriet in Schwierigkeiten, schrie Leute an, bedrohte sie. Verstehen Sie mich nicht falsch! Als er klein war, war er ein guter Junge. Hatte diese köstlichen kleinen, blonden Locken und hübschen blauen Augen. Das ist es, woran Sara sich erinnert. Aber sie weiß nicht, was in letzter Zeit los war. Ich glaube, in seinem Kopf wurde einfach ein Schalter umgelegt. Vielleicht war es schon die ganze Zeit da, und wir haben es nur nicht bemerkt. Wollten es nicht bemerken. « Marla schüttelte den Kopf. » Was für eine Sauerei. Ein erstklassiger Scheißhaufen. «
Erst jetzt schaute Lena Marla wirklich an. Die ältere Frau war nicht gerade ihr größter Fan. Wenn Lena morgens zur Tür hereinkam, ließ sie sich bestenfalls zu einem Nicken herab. Meistens machte sie sich nicht einmal die Mühe, von ihrem Schreibtisch hochzuschauen. » Warum reden Sie mit mir? Sie reden doch sonst nie mit mir. «
Darauf reagierte Marla eingeschnappt. » Entschuldigung, dass ich zu helfen versuche. « Sie drehte sich auf dem Absatz um und stürmte hinaus.
Lena beobachtete, wie die Tür langsam zuschwang. Die Toilette fühlte sich klein, klaustrophobisch an. Sie konnte nicht den ganzen Tag hierbleiben,
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