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Letzter Akt in Palmyra

Titel: Letzter Akt in Palmyra Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lindsey Davis
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einem Stilus und starrte verträumt auf eine Fliege an der Wand. Sobald er mich sah, richtete Anacrites sich auf und tat wichtig. Er schlug sich so krachend aufs Knie, daß der Schreiber und ich zusammenzuckten; dann sank er wieder zurück und schaute völlig gleichgültig. Ich zwinkerte dem Schreiber zu. Er wußte genau, was für ein Schuft sein Vorgesetzter war, wagte aber trotzdem, mein Grinsen offen zu erwidern.
    Anacrites bevorzugte Tuniken in Grau und Braun, als wolle er sich damit unauffällig dem Hintergrund anpassen, doch seine Kleidung hatte stets einen etwas eleganteren Schnitt, und sein öliges Haar war mit solcher Präzision zurückgekämmt, daß mir ganz schlecht wurde. Die Eitelkeit seiner Erscheinung entsprach seiner Ansicht über seine beruflichen Fähigkeiten. Er war ein guter Redner, fähig, jeden mit Leichtigkeit in die Irre zu führen. Männern mit derart gepflegten Fingernägeln und hinterlistiger Wortgewandtheit traue ich nicht.
    Mein staubiger Stiefel landete auf einem Haufen Schriftrollen. »Was ist das denn? Noch mehr giftige Beschuldigungen unschuldiger Bürger?«
    »Kümmern Sie sich um Ihre Angelegenheiten, Falco, und überlassen Sie mir die meinen.« Es gelang ihm, den Eindruck zu erwecken, als seien seine Angelegenheiten äußerst relevant und faszinierend, meine Motive und Methoden dagegen stänken wie ein Faß toter Tintenfische.
    »Aber mit Vergnügen«, erwiderte ich. »Muß wohl die falsche Botschaft bekommen haben. Jemand behauptete, Sie würden mich brauchen …«
    »Ich habe Sie herbeordert. « Er mußte immer so tun, als würde er mir Befehle erteilen. Ich übersah die Beleidigung – zumindest vorläufig.
    Dem Schreiber drückte ich eine Kupfermünze in die Hand. »Geh und kauf dir einen Apfel.« Anacrites warf mir wütende Blicke zu, weil ich seinen Angestellten herumkommandierte. Während er noch über einen Gegenbefehl nachdachte, verschwand der Thraker. Ich lümmelte mich auf den leer gewordenen Stuhl des Schreibers, streckte die Beine weit von mir, griff nach einer Schriftrolle und entrollte sie mit viel Geknister.
    »Das Dokument ist geheim, Falco.«
    Mit erhobenen Augenbrauen machte ich weiter. »Oh, ihr Götter, das hoffe ich aber auch! Sie würden doch wohl nicht wollen, daß dieser Unrat öffentlich bekannt wird …« Ich ließ die Schriftrolle hinter meinen Stuhl fallen, außerhalb seiner Reichweite. Er wurde rosa vor Wut, weil er nicht sehen konnte, welche Geheimnisse ich da studiert hatte.
    In Wahrheit hatte ich mir nicht die Mühe gemacht, die Rolle zu lesen. Aus diesem Büro kam nie etwas anderes als blanker Unsinn. Das meiste, was Anacrites für listige Ränkespiele hielt, wäre dem normalen Müßiggänger auf dem Forum total albern vorgekommen. Ich zog es vor, mich nicht mit diesem Schwachsinn zu belasten.
    »Falco, Sie bringen mein Büro in Unordnung.«
    »Dann sagen Sie, was Sie auf dem Herzen haben, und ich verzieh mich wieder.«
     
    Anacrites war zu sehr Berufsspion, um sich mit mir zu kabbeln. Er riß sich zusammen und senkte die Stimme. »Eigentlich sollten wir auf derselben Seite stehen«, meinte er, wie ein betrunkener alter Freund, der einem gerade gestehen will, warum er seinen alten Vater über den Klippenrand geschubst hat. »Ich weiß nicht, weshalb wir nicht besser miteinander zurecht kommen.«
    Ich hätte genügend Gründe anführen können. Er war ein bösartiger Hai mit üblen Motiven, der jeden manipulierte. Er bekam ein gutes Gehalt für so wenig Arbeit wie möglich. Ich war nur ein freiberuflicher Held, der sein Bestes in einer ungerechten Welt gab, schlecht dafür bezahlt wurde und ständig Schulden hatte. Anacrites blieb im Palast und tüftelte komplizierte Pläne aus, während ich draußen war, mich dreckig machte, zusammenschlagen ließ und das Imperium rettete.
    Ich lächelte leise. »Keine Ahnung.«
    Er wußte, daß ich log. Dann traf er mich mit den Worten, die ich bei jedem Bürokraten verabscheue. »Zeit, daß wir die Sache bereinigen. Marcus Didius, alter Freund, lassen Sie uns was trinken gehen …«

III
    Er schleppte mich in ein Thermopolium, das von den Palastsekretären frequentiert wurde. Ich war schon mal dort gewesen. Es war voller gräßlicher Typen, die meinten, sie würden die Welt regieren. Wenn diese Papyruswürmer aus ihren Büros gekrochen kamen, fühlten sie sich draußen nur unter ihresgleichen wohl.
    Sie konnten sich noch nicht mal eine anständige Kneipe suchen. In dieser schäbigen Weinschenke mit hohem Tresen

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