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Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition)

Titel: Letzter Aufzug, Genossen! (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Norbert F. Schaaf
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herumzuärgern“, sagte Carmen, während Boleslaw Poniatkowski alias Bogdan Kloczowski daran denken musste, dass die Strichjungen aus West-Berlin meist drogensüchtig waren und nicht selten aidskrank. „Und wer ist die andere, wenn man fragen darf?“ hakte Carmen Denikin nach.  
    „Die kennst du sogar; von der Candlelightparty neulich zur Herbstsaison bei meinem Cousin: Es ist keine geringere als die kleine Freya auf der Heide.“
    „Sie nun wieder! Diese kleine Kuh, natürlich!“
    „Raufutterverzehrende Großvieheinheit“, murmelte bissig der Warschauer.
    „Ich sehe“, sagte Friederike, „man kennt das nette Biest bereits. Ihr Mann ist auch ein Kandidat; aber einer fürs Politbüro. Ein bildhübscher Kerl übrigens und in den besten Jahren. Nur mit dem einen Fehler, dass er nicht hier ist, sondern seit Beginn des Pöbelaufstands in Ungarn an der Budapester Botschaft. Während der ganzen Zeit war er wohl nur zwei oder drei Mal auf Heimaturlaub. Das ist für die kleene Freya natürlich wie ein Tropfen auf den heißen Stein. Seit die Partys in der Datsche La Bruyère ausfallen, weil man meinen Vetter wegen seiner Affäre mit der ...‚ na, du weißt schon, strafversetzt hat, ist weit und breit nichts mehr los in dieser Hinsicht. Die Männer scheinen ihr Hauptaugenmerk auf Geldangelegenheiten und Auslandsreisen verlegt zu haben. Und weil die kleene Freya weder vom Valutaausland noch von Mannsbildern etwas mitbekommt, langweilt sie sich zu Tode und hat es dringender nötig denn je!“
    „Was für eine Freude, sie wiederzusehen!“ Trotz ihres spöttischen Tons schien Carmen merklich aufzuleben. „Es gibt schlimmere Luder. Denn eins muss der Neid ihr lassen: Sie hat so etwas ... wie soll ich sagen ... so etwas Frivoles und steckt immer voller koboldhafter Ideen.“
    Carmen schenkte ein; sie saßen beim gedämpften Schein einer Biedermeierlampe, deren Fuß aus Meißner Porzellan einen flötespielenden Pan darstellte, auf der Terrasse und schlürften eisgekühlten Krimsekt. Die Rokokouhr unter der Beschwörung Lenins von Salvador Dalí über dem Kamin im Wohnzimmer verkündete mit feinem Silberklang die elfte Stunde, und der Mond verbreitete ein zartes Licht über dem Garten, so dass die weißen Mauern des Bungalows inmitten des Halbrunds der ihn umstehenden Zedern sich deutlich aus dem Halbdunkel hervorhoben.  
    Als das Sektkränzchen ausgetrunken hatte, lehnte sich die
Genossin Wagner-Gewecke bequem in ihren gepolsterten Rattansessel zurück, der unter der Last ihres üppigen Körpers ächzte, und wandte sich mit sichtlichem Behagen an die Freundin: „Meine Liebste, du sprachst vorhin von einer neuen Gruppe, die wir beinahe mit den beiden von mir annoncierten Damen beisammen hätten, nicht wahr?“ Carmen nickte begeistert. „Hast du etwa noch jemanden für den noch unbesetzten sechsten Platz?“ Carmen schüttelte gleichmütig den Kopf, als die Genossin schon fortfuhr: „Aber ich denke da an etwas ganz Exquisites, Süperbes, das uns alle bestimmt über die Maßen amüsieren dürfte!“ Bei diesen Worten nahmen die Züge der Genossin einen exorbitant lüsternen Ausdruck an. „Es handelt sich um eine Nichte von mir“, erklärte sie gemächlich, jedes ihrer Worte dabei genießend, und ihre Altstimme geriet in ein noch dunkleres, fast männliches Timbre. „Angeheiratet selbstverständlich und aus kleinbürgerlichen Verhältnissen; immerhin verrate ich euch soviel: Einen keuscheren Engel habt ihr noch nie untergekriegt: goldblondes Haar, strahlende Blauaugen, kurz, ein süßes Kaninchen. Nur sächselt sie wie ein Äffchen. Aber ein Botticelli-Antlitz hat die und eine Figur wie ein Modell von David Hamilton...“ Sie musste innehalten, weil allein schon die Vorstellung sie arg mitzunehmen schien.
    Carmen schaute in einer unwillkürlichen Bewegung mit halbgeöffneten Lippen und fragenden Blicks dem Warschauer in die kalten Fischaugen, die sie kurz streiften, bevor er sich stirnrunzelnd abwandte und ungerührt die Achseln zuckte.
    Die Genossin, sich an ihre Freundin anlehnend, bemerkte flüsternd ihr ins Ohr: „Deine ewig muntere Eifersucht treibt ihm noch mal ein Würmchen ab!“ und kicherte gelüstig, bevor sie in ihrem normalen, ironischen Ton fortfuhr: „Mein Vetter, der alte Bock, hat sie sich erst diesen Sommer in die Koje geholt, um seine letzten Experimente mit ihr anzustellen; in aller Ehrenhaftigkeit, bitte schön, das versteht sich ja von selbst, also mit Ring. Obendrein ist sie ganz in Weiß

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