Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
anzufangen.
Während Gasperlmaier seine Nudeln in sich hineinräumte, ging ihm der heutige Tag durch den Kopf, weil ohnehin niemand sprach. Er staunte, mit welchem Tempo und in welcher Menge der Christoph Spaghetti in sich hineinstopfte. Ob sie ihm beim Roten Kreuz keine Jause gaben? Gasperlmaier hätte es ohnehin vorgezogen, wenn der Christoph zum Bundesheer gegangen wäre. Schließlich konnte er nicht einmal Polizist werden, wenn er nicht imstande war, eine Waffe zu tragen. Die Katharina hingegen stocherte nur lustlos in ihren wenigen Spaghetti herum. Entweder, so dachte Gasperlmaier bei sich, hat sie wegen irgendwas Sorgen, oder sie hat Angst um ihre Figur. Wenn sie ihm nur nicht magersüchtig würde.
„Warum“, fragte Gasperlmaier, „verteidigst du den Professor Fritzenwallner eigentlich so?“ Die Katharina schmiss die Gabel hin. „Ich? Ich verteidig ihn doch nicht! Spinnst du?“ „Du musst“, nuschelte Gasperlmaier mit vollem Mund, „nicht gleich so heftig reagieren. Ich hab nur gespürt, dass du ein wenig grantig wirst, wenn die Sprache darauf kommt, dass er sich verdächtig gemacht hat.“ Sorgsam war er darauf bedacht, keine Informationen aus ihren Ermittlungen auszuplaudern. Die würden alle schön schauen, dachte er bei sich, wenn der Magister Fritzenwallner morgen in Handschellen abgeführt werden und sich die Presse darauf genüsslich über alle Einzelheiten seines Lotterlebens verbreiten würde.
Die Katharina versuchte, sich locker zu geben. „Als Lehrer ist er ganz okay! Er gibt uns sogar manchmal frei! Das traut sich sonst keiner!“ Die Christine mischte sich ein. „Na, hör mal! Das hat doch nichts mit sich was trauen zu tun, wenn einer den Kindern freigibt, anstatt zu unterrichten! Das ist Faulheit, Pflichtvergessenheit! Er kriegt ja schließlich gezahlt dafür!“ Gasperlmaier wurde hellhörig. Er schenkte sich noch einmal aus der Bierflasche nach und blickte skeptisch zum Christoph hinüber, der ihm die halbvolle Bierflasche mehr oder weniger aus der Hand genommen und sich selbst nachgeschenkt hatte. Musste das sein, dass die Kinder am Familientisch Alkohol tranken? „Sag einmal, Katharina“, gab sich Gasperlmaier nach einem ausgiebigen Schluck interessiert, „wann hat euch denn der Herr Professor Fritzenwallner das letzte Mal freigegeben?“ Wenn der Herr Magister so großzügig mit der Unterrichtszeit umging, wie die Katharina gerade behauptet hatte, dann konnte es ja durchaus sein, dass er auch für den Mord an der Simone Eisel infrage kam, schließlich hatte der Direktor nur in seinem Computerstundenplan nachgesehen, und da stand ja wohl nicht drin, ob sich der Herr Magister eine freie Randstunde gegönnt hatte, indem er seine Schüler einfach nach Hause geschickt hatte.
„Lass mich einmal überlegen.“ Die Katharina wickelte versonnen eine einzelne Nudel um ihre Gabel. Die, so mutmaßte Gasperlmaier, musste schon längst kalt geworden sein. „Am Montag, da haben wir früher ausgehabt, weil unsere Musiklehrerin wegen irgendeinem Projekt nicht da war. Da haben wir die vierte Stunde ausfallen lassen. Weil wir die Woche davor eh schon eine zusätzliche Stunde gehabt haben, hat er gesagt.“ Gasperlmaier horchte angespannt hin. „Und wann ist er dann gegangen, ich meine, wann war die Schule aus?“ „So irgendwann nach elf.“ Gasperlmaier wurde ungehalten. Eine genaue Auskunft in Bezug auf Termine und Zeiten von seinen Kindern zu bekommen, schien unmöglich. Alles fand irgendwann und vielleicht statt, nichts zu einem bestimmten Zeitpunkt und gewiss. Was sollte aus so einer Jugend werden? Er nahm sich zusammen und fragte ganz freundlich und geduldig: „Kannst du’s mir nicht ein wenig genauer sagen?“ Die Katharina grunzte ungehalten. „Um fünf nach halb elf war die dritte Stunde aus. Die vierte hätte der Herr Professor Fritzenwallner gehabt, der war aber schon in der Pause nach der zweiten herinnen und hat uns gesagt, dass wir uns freinehmen sollen.“
Gasperlmaiers kriminalistisches Gehirn arbeitete auf Hochtouren. Das hieß doch nicht mehr und nicht weniger, als dass der Hallodri womöglich schon um zehn aus der Schule verschwunden war, während er nach Stundenplan bis um zwölf Dienst gehabt hätte. Was sein Direktor auch geglaubt hatte. Gasperlmaier wog ab. Seine Vorbehalte gegen den Magister Fritzenwallner als Mörder waren soeben zusammengebrochen. Rief er jetzt gleich die Frau Doktor an, so scheuchte er sie womöglich auf, und sie kam wieder nach Altaussee und
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