Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
anzusehen, aber, so dachte er bei sich, was wusste er schon von den Abgründen, die sich in der Seelenlandschaft mancher Zeitgenossen auftaten.
Einigermaßen erleichtert war er erst, als sie wieder im Auto saßen. „Irgendwas“, sagte die Frau Doktor, „sagt mir, dass diese Wäsche getragen wurde. Nicht von ihm, meine ich, sondern von Frauen, von verschiedenen Frauen.“ Gerade, als sie auf die Hauptstraße einbogen, schnippte sie so laut mit dem Finger, dass Gasperlmaier zusammenschrak. „Jetzt fällt’s mir ein! Die Teile haben alle gerochen! Nach Parfum! Und zwar nach verschiedenen!“ Gasperlmaier gab zu bedenken, dass die Wäsche in der Schublade ja wohl gewaschen worden war, doch die Frau Doktor wischte seinen Einwand beiseite. „Parfum bleibt immer hängen! Da können Sie waschen, so viel sie wollen!“ Gasperlmaier seufzte und hoffte, dass es ihnen gelingen würde, den Herrn Magister Fritzenwallner einzufangen, noch bevor es Zeit zum Abendessen war. Als ob die Frau Doktor seine Gedanken erraten hätte, sah sie auf die Uhr. „So spät schon!“ Sie schlug die Richtung ins Ortszentrum ein. „Wissen Sie was, Gasperlmaier – wir machen für heute Schluss. Ich lasse eine Zivilstreife vor dem Haus vom Magister Fritzenwallner postieren, damit ich ihn vernehmen kann, sobald er zu Hause auftaucht. Und um den Magister Loisenhammer kümmert sich der Kollege Hinterholzer. Es wäre sinnlos, jetzt in der Gegend herumzufahren und zu versuchen, den Fritzenwallner irgendwo aufzutreiben. Er wird uns schon ins Netz gehen, er ahnt ja nicht, dass wir ihm so dicht auf den Fersen sind. Spätestens, wenn er heimkommt, schnappt die Falle zu!“ Die Frau Doktor ballte die Faust, um zu unterstreichen, wie sie sich das Zuschnappen vorstellte.
Gasperlmaier war zwar mit der Entwicklung der Dinge zufrieden, soweit sie den nahenden Feierabend betrafen, dennoch hatte er noch eine Frage. „Was glauben Sie denn – wer hat den Direktor erschossen? Auch der Fritzenwallner?“ Die Frau Doktor zuckte mit den Schultern, als sie die Abzweigung nach Altaussee nahm. „Wenn es einen Zusammenhang mit unseren Fällen gibt, dann hat hier wohl der Mörder noch einmal zugeschlagen. Allerdings – ich muss schon zugeben, über sein Motiv bin ich mir nicht im Klaren. Ich kann mir schlecht vorstellen, dass der Herr Direktor als Mitwisser oder Zeuge den Mörder erpresst hat. Das hat doch ein Schuldirektor nicht nötig.“ „Was, wenn jemand geglaubt hat, der Schuldirektor ist der Mörder? Und sich an ihm rächen wollte? Der Vater von der Sandra, beispielsweise. Der hat mir ziemlich gewaltbereit gewirkt!“ Die Frau Doktor warf Gasperlmaier einen anerkennenden Blick zu. „Scharfsinnig gedacht, Gasperlmaier – da dürfen wir dann allerdings den Magister Eisel auch nicht außer Acht lassen – der hätte ja schließlich auch allen Grund, dem Mörder seiner Frau böse zu sein. Dennoch – wenn es ein Racheakt eines Angehörigen war, dann, glaube ich, hat es den Falschen erwischt. Da fällt mir ein, wir wissen ja noch nicht einmal, ob der Direktor ein Alibi für die Mordzeit gehabt hätte!“
Das Handy der Frau Doktor klingelte, und sofort schaltete sich das Radio ein. Die Frau Doktor drückte eine Taste auf dem Lenkrad, meldete sich, und schon drang die gemächliche Stimme des Major Hinterholzer aus den Lautsprechern. „Einen schönen guten Abend wünsche ich, Gnädigste!“ „Gibt’s was Neues?“, fragte die Frau Doktor zur Windschutzscheibe hin, und Gasperlmaier fragte sich, wo das Mikrofon verborgen war, das ihre Stimme aufnahm. „Nicht wirklich“, vernahm er wieder den Major Hinterholzer. „Es ist unglaublich, aber niemand hat etwas gesehen. Niemand hat etwas gehört. Niemandem ist ein Auto aufgefallen, das zur bewussten Zeit den Parkplatz verlassen hat. Keine Spuren, soweit wir bisher wissen. Der Täter hat anscheinend nur einen oder zwei Schritte in den Raum hinein getan und sofort wieder umgedreht. Auf dem Boden keine Rückstände von ihm. Wir sind gerade dabei, die Nachbarn und die Lehrer zu vernehmen. Natürlich geht es langsam. Die Tochter haben wir auch ausfindig gemacht, sie kommt morgen.“
„Haben Sie sich den Loisenhammer schon vorgenommen?“ Gasperlmaier wunderte sich, dass der Herr Major umständlich über Nebensachen referierte, während er sich das, was sie wirklich interessierte, aus der Nase ziehen ließ. „Sicher. Leider hab ich Ihre Unterlagen noch nicht bekommen, sodass ich im Dunklen tappe – ich weiß ja
Weitere Kostenlose Bücher