Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
Gasperlmaier bei sich, war es wohl wenig wahrscheinlich, dass sie auch mit diesem Fall betraut werden würde – da unten in Liezen, da liefen die Studierten, die man in solchen Fällen unbedingt brauchte, sicherlich dutzendweise herum. Warum sollten sie ausgerechnet die Frau Doktor wieder nach Altaussee schicken – wo sie doch im letzten Fall, den sie hier bearbeitet hatte, sogar brutal zusammengeschlagen worden war und ein paar Tage im Krankenhaus hatte verbringen müssen.
Während Gasperlmaier seinen Gedanken nachhing, beendete der Friedrich sein Gespräch und brummte zufrieden: „Die Frau Doktor Kohlross schicken’s. Die wird das hier schon in den Griff bekommen.“ Gasperlmaier überrieselte eine kleine Gänsehaut der Erregung und Vorfreude. Der Friedrich, so schien es ihm, war aber hauptsächlich froh darüber, dass er die Verantwortung für den Umgang mit den beiden Leichen jemand anderem überlassen konnte. „Wir sollen einstweilen nichts verändern, die Toten bleiben an Ort und Stelle“, fügte der Friedrich noch hinzu.
Gasperlmaier ging in die Hütte zurück, sich daran erinnernd, dass er ja einen Kaffee bestellt hatte. Tatsächlich stand auf seinem Platz am Tisch ein gefülltes, jedoch nicht mehr dampfendes Häferl. Gasperlmaier berührte es, um festzustellen, ob der Kaffee noch warm wäre. Leider war er bereits ziemlich ausgekühlt. Er setzte sich hin, etwas geschwächt von den Ereignissen der letzten Stunden, und schaufelte drei Löffel Zucker in die braune Brühe. Kalter Kaffee sollte ja, einem alten Aberglauben zufolge, schön machen. Als er den ersten Schluck nehmen wollte, kam die Jetti aus der Küche herein. Verquollene Augen hatte sie, und mit einem Zipfel ihrer blaukarierten Schürze wischte sie an den Augenwinkeln herum, während sie sich zu Gasperlmaier setzte. Der erinnerte sich plötzlich an den Schlapfen, den er draußen hatte liegen lassen. Inzwischen würde er wohl völlig durchnässt sein. „Das ist so furchtbar!“, jammerte sie, „ich hab noch nie einen Toten gesehen! Die Leiche wird mir jetzt sicherlich im Traum erscheinen!“ Gasperlmaier war ein wenig verärgert. „Hättest ja nicht unbedingt hingehen müssen und dir alles anschauen“, versetzte er unfreundlich. „Und außerdem: Weißt du schon, Jetti, dass du mit dem Mörder telefoniert hast?“ Gasperlmaier versuchte, seiner Bemerkung eine möglichst schaurige Note zu verleihen. Erschrocken blickte die Jetti zu ihm auf. „Was sagst du da? Mörder?“ „Ja, ja!“, setzte der Gasperlmaier nach, „und du bist jetzt die Einzige, die ihn an der Stimme erkennen kann! Da musst du aufpassen, dass er dich nicht auch noch über die Felsen hinunterschmeißt!“ Aufheulend stürzte die Jetti davon. Gasperlmaier erschrak. Da hatte er wohl ein klein wenig übertrieben und die Jetti unnötig in Angst und Schrecken versetzt. Wenn sie aber auch so penetrant und lästig sein musste. Gasperlmaier überlegte, ob es wirklich vernünftig gewesen war, der Jetti die Mordgeschichte aufzutischen, wo doch bis jetzt nur der Doktor Walter so eine Behauptung aufgestellt hatte. Und schon gar nicht, dachte Gasperlmaier jetzt bei sich, hätte er die Information, die sich ja nur auf ein oberflächliches Gutachten stützte, ausgerechnet an die Jetti weitergeben dürfen, die jetzt sicher gleich zum Telefon stürzen und alle ihre Freundinnen ins Bild setzen würde. Wo doch der Doktor Walter selber immer behauptete, gar nicht kompetent zu sein, wenn es um Leichen ging. Für derlei Bedenken war es aber nun zu spät. Wieder einmal hatte er eine falsche Entscheidung getroffen und war in einen ausgewachsenen Fettnapf getreten. Wenn das nur keine unangenehmen Folgen haben würde. Gasperlmaier nahm einen Schluck von seinem Kaffee. Der war fast kalt und so süß, dass er ihn fast wieder ausgespuckt hätte und neuerlich kurz Brechreiz verspürte. Entweder, so dachte er bei sich, hatte er selbst in Gedanken zweimal Zucker hineingetan, oder die Jetti hatte ihn schon für ihn gezuckert. Er schob das Häferl angeekelt von sich.
Der Friedrich steckte seinen Kopf zur Tür herein. „Gasperlmaier, wo bleibst denn?“, knurrte er. „Glaubst, ich mag die Leichen allein bewachen? Oder hast schon wieder speiben müssen?“ Gasperlmaier fragte sich, ob der Friedrich hellsehen konnte und machte sich auf den Weg auf die Terrasse. „Ich muss nämlich einmal aufs Klo“, meinte der Friedrich und gab Gasperlmaier einen freundschaftlichen Klaps auf die Schulter, dass es den
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