Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
selbst noch Worte fand, als die Frau Doktor ausstieg, hatte die Katharina schon gefragt: „Kann ich bis Bad Aussee mitfahren? Bitte!“ Die Frau Doktor lächelte. „Wenn Sie den kleinen Umweg in Kauf nehmen wollen, Gasperlmaier? Sie fahren nämlich!“ Gasperlmaier war beides unangenehm. Erstens fuhr er nicht gern mit fremden Autos, und zweitens fand er die Katharina, die es sich schon auf dem Rücksitz bequem gemacht hatte, unverschämt. „Los, los!“, trieb ihn die Frau Doktor an. „Wir sollten keine Zeit verlieren. Ich muss noch ein paar Papiere durchschauen, das kann ich besser, wenn ich nicht fahren muss.“ Gasperlmaier startete, und die Frau Doktor entnahm ihrer Handtasche einen Schnellhefter und begann zu blättern. Rund um Gasperlmaier erklang ein Piepen aus verschiedenen Ecken des Fahrzeugs, auf dem Display in der Mitte blinkte hektisch eine rote Leuchtanzeige. „Das sind nur die Parksensoren, Gasperlmaier, fahren S’ einfach los!“ So einfach war das aber nicht. Gasperlmaier suchte den Rückwärtsgang, den er dort nicht fand, wo er in seinem eigenen Auto einzulegen war. Als Gasperlmaier ihn endlich gefunden hatte, tat das Auto einen Hopser – der Druckpunkt der Kupplung war viel früher, als er das gewohnt war. Als sie endlich ins Fahren gekommen waren, war Gasperlmaier peinlich berührt. Nicht nur, weil er sich, wie er meinte, ungeschickt angestellt hatte, sondern auch, weil die Katharina Zeugin seiner Ungeschicklichkeit geworden war. Die allerdings hatte, wie er im Rückspiegel bemerkte, den Kopf ohnehin in ihrem Italienischbuch vergraben.
Zudem war es ihm unangenehm, dass sie wegen der Katharina nun einen Umweg fuhren, noch dazu mit einem Dienstfahrzeug. Gasperlmaier blieb wortkarg, seine Gedanken schweiften wieder zu dem seltsamen Haschischraucher ab, den die Christine offenbar so verehrte. Seine Stimmung blieb dumpf. Erst als die Katharina ausgestiegen war – wenigstens hatte sie sich bedankt und ordentlich verabschiedet, dachte Gasperlmaier bei sich –, begann die Frau Doktor zu reden.
„Zum Gymnasium in Ischl müssen wir, Gasperlmaier. Dort unterrichtet nämlich der Mann der Verstorbenen. Den möchten wir doch allzu gern fragen, wo er gestern war, finden Sie nicht, Gasperlmaier?“ Gasperlmaier nickte. „Seltsame Geschichte! Die Frau heißt Simone Eisel, sie ist auch Lehrerin, aber momentan im Sabbatical.“ Gasperlmaier horchte auf. An seinem fragenden Blick merkte die Frau Doktor, dass er gern gewusst hätte, was ein Sabbatical war. „Man bekommt fünf Jahre nur achtzig Prozent vom Gehalt, dafür kann man dann eines der fünf Jahre freinehmen“, erklärte sie Gasperlmaier. „Würde ich auch gern machen. Obwohl – mit achtzig Prozent vom Gehalt auskommen? Würden Sie das, Gasperlmaier?“ Richtig aufgeräumt war die Frau Doktor heute, es schien Gasperlmaier, als betrachte sie den Fall als praktisch schon gelöst. Wo sie doch noch nicht einmal wussten, wer die zweite Leiche gewesen war, als sie noch gelebt hatte.
Gasperlmaier überlegte, ob er der Frau Doktor von seiner gestrigen Begegnung mit dem Beda erzählen und sie um Rat fragen sollte, wobei ihm einfiel, dass sie praktisch alles über ihn wusste – wo er wohnte, mit wem er zusammenlebte, wie alte seine Kinder waren – er aber wusste von ihr nicht einmal den Vornamen. Geschweige denn, ob sie verheiratet, verwitwet oder geschieden war. Bloß dass sie keine Kinder hatte, aber welche wollte, das hatte sie ihm gestern verraten. Da durfte sie aber dazuschauen, fand Gasperlmaier. Fünfunddreißig war sie sicherlich schon, schätzte er. Gasperlmaier seufzte. Er war für die Frau Doktor ein offenes Buch, sie hingegen für ihn ein Geheimnis. Er beschloss, ihr nichts vom Beda zu erzählen.
„Ja!“, die Frau Doktor stöberte in ihren Papieren. „Die Simone Eisel hat an der Tourismusschule unterrichtet, Französisch und Italienisch. Vierundvierzig Jahre alt. Und jetzt fragen wir ihren Ehemann, der im Gymnasium unterrichtet, warum ihm seine Frau nicht abgegangen ist.“ Gasperlmaier behagte der Gedanke nicht, in eine Schule zu müssen. Das war für ihn kein Ort, an dem Wohlbefinden aufkam. „Ist das nicht peinlich, ich meine, wenn die Schüler mitbekommen, dass wegen ihrem Lehrer die Polizei kommt? Sollten wir ihn nicht lieber am Nachmittag daheim …?“ Gasperlmaier ließ den Satz ausklingen. Das war, fand er, ein gutes Argument. Die Frau Doktor allerdings ließ es nicht gelten. „Nix da, Gasperlmaier! Wir müssen den
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