Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
Gasperlmaier, auch nicht ganz wohl in ihrer Haut. Er wartete ab. Normalerweise war es die Christine, die das Schweigen brach und die notwendigen versöhnlichen Worte fand. „Gut, dass du ihn hinausgeschmissen hast“, sagte sie schließlich. Gasperlmaier sah überrascht auf und hielt sein Messer, auf das er gerade ein Stück Butter geladen hatte, wie einen Taktstock vor seine Brust. „Er hat sich nicht wie ein Gast verhalten. Das kann man nicht machen, bei einem Polizisten einen Joint rauchen, wo auch noch ein Kind im Haus ist.“ Schau an, dachte Gasperlmaier bei sich, die Christine beurteilte die Situation von gestern Abend also gar nicht so viel anders als er selbst. „Du hättest dich halt nur nicht so aufregen sollen.“ Eine Sache war es, etwas selber einzusehen, etwas anderes, das von jemand anderem gesagt zu bekommen. „Nicht aufregen!“, brauste Gasperlmaier auf und schwang das Buttermesser vor seinem Gesicht herum, dass das Stück Butter, das daran klebte, sich löste und Gott sei Dank bloß auf den Deckel des Marmeladeglases klatschte. Gasperlmaier beruhigte sich, barg die Butter und wischte den Deckel mit seiner Serviette ab.
„Ich geh einmal davon aus, dass du seine Performance heute Abend nicht besuchen möchtest“, sagte die Christine. Wiederum blickte Gasperlmaier überrascht auf. Hieß das, die Christine würde diesem traurigen Raubritter auch noch nachlaufen und für seine gewiss erbärmliche Veranstaltung Eintritt zahlen? Das konnte doch nicht wahr sein! Die Christine verstand ihn, auch ohne dass Gasperlmaier den Mund aufbrachte. „Ich versteh dich ja. Ich hab ihm halt versprochen, dass ich mir sein, sein …“, sie suchte nach Worten, „ … Konzert, oder was immer es auch ist, anschaue. So viele Leute werden eh nicht kommen, ich hab halt Mitleid mit ihm.“ Gasperlmaier war sich nicht so sicher, ob es reines Mitgefühl war, das seine Christine veranlasste, diese Kreatur heute neuerlich zu treffen. Unangenehm bohrte in seinem Magen das Gefühl, die Christine verberge etwas vor ihm, das ihr harmonisches Zusammenleben bedrohte.
5
Gasperlmaier warf einen Blick nach draußen. Es regnete wieder. „Du magst doch sicher noch einen Kaffee, oder?“ Schon hatte die Christine eingeschenkt. Gasperlmaier würgte an seinem letzten Stück Marmeladenbrot, als sein Handy läutete. Hastig wischte er seine Hände an einem Geschirrtuch ab, das er gerade in die Finger bekam, und griff nach dem Telefon. „Morgen, Gasperlmaier!“, hörte er die Stimme der Frau Doktor Kohlross, „Auf geht’s! Nach Bad Ischl! Wir haben das erste Opfer identifiziert!“ Gasperlmaier versuchte nachzufragen, wann er denn auf dem Posten eintreffen solle, kaute aber noch an seinem Brot und brachte nur ein Husten hervor. Reste von Marmelade, Brot und Butter versprühte er dabei über den Frühstückstisch, während die Frau Doktor ihn unnötigerweise bedauerte. „Haben Sie sich bei unserer Expedition gestern verkühlt, Gasperlmaier? Das tut mir aber leid!“ Gasperlmaier würgte und hustete noch immer, krächzte gerade noch ein „Nein, nein!“ hervor, bevor die Frau Doktor wieder das Wort ergriff. „Ich bin schon fast vor Ihrem Haus, Gasperlmaier, ich hol Sie ab!“ Noch bevor er Gelegenheit hatte, zu antworten, legte sie auf.
„Ich muss mit der Frau Doktor nach Bad Ischl fahren“, informierte er die Christine, die schon dabei war, in ihrem Arbeitszimmer die Sachen zusammenzusuchen, die sie für den heutigen Schultag brauchte. „Könnt’s ihr mich mitnehmen?“ Die Katharina hatte gerade ihre Tasche und ihre Jacke geschnappt. „Du kannst doch nicht mit dem Polizeiauto mitfahren! Was glaubst du denn?“ Gasperlmaier war entrüstet. „Aber es regnet, Papa. Da werd ich auf dem Weg zum Bus ja ganz nass!“ Die Katharina besuchte die Höhere Lehranstalt draußen in Bad Aussee, sie wollte Tourismusmanagerin werden. Gasperlmaier befürchtete eher, dass sie stattdessen nach der Schule an einer Rezeption herumstehen und ständig die gleichen dummen Fragen der Touristen beantworten würde müssen. „Dann ziehst halt eine Regenjacke an!“ „Geh bitte, Papa, eine Regenjacke! So was tragen wirklich nur die letzten Nerds.“ Gasperlmaier fragte sich zwar, was ein Nörd wohl sein könnte, hatte aber keine Zeit mehr für Verhandlungen, denn vor dem Fenster war schon der Audi der Frau Doktor aufgetaucht. Er verabschiedete sich schnell und merkte erst, als er auf der Straße stand, dass ihm die Katharina gefolgt war. Bevor er
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