Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
folgte die Frau Doktor dem Gang nach rechts, als Gasperlmaier ihr jedoch um die Ecke folgte, bohrte sich ein Kopf in seine Brust. Dessen Besitzer hatte offenbar während des Laufens nach hinten geblickt, Gasperlmaier in vollem Tempo gerammt und ihm dabei den Atem genommen. So schnell, wie er gekommen war, war der Übeltäter schon wieder verschwunden, als Gasperlmaier entsetzt auf seine Unform hinunterblickte. Sie war voller Blut. Mühsam rang er nach Atem.
Die Frau Doktor sah sich nach Gasperlmaier um und grinste. Was gab es zu grinsen? Entweder war er selbst schwer verletzt und spürte es, des Schocks wegen, bloß noch nicht, oder der Bub hatte sich wer weiß was getan! „Gasperlmaier, was haben Sie denn mit ihrem Käsetoast gemacht? Haben Sie schon wieder Hunger?“ Tatsächlich. Zu Gasperlmaiers Füßen lag ein zerdrückter Käsetoast, den der Angreifer hatte fallen lassen. Das Ketchup, das sich ebenfalls auf dem Pappteller befunden hatte, zierte jetzt Gasperlmaiers Uniformjacke.
Die Frau, die am Buffet ihren Dienst versah, hatte das Missgeschick wohl mitbekommen und kam mit einem Fetzen gelaufen. „Oje, oje!“, jammerte sie, während sie mit völlig unzureichenden Mitteln versuchte, Gasperlmaiers Jacke von den Ketchupresten zu befreien. „Diese Fratzen! Sie glauben ja gar nicht, wie die sich aufführen! Und nicht einmal bitte und danke können sie sagen! Und wenn wir uns nicht alles gefallen lassen, kommen gleich die Eltern dahermarschiert!“
Gasperlmaier besah sich seine Jacke. Eigentlich, fand er, hatte die Frau alles nur noch schlimmer gemacht. Jetzt war die gesamte Vorderseite der Jacke nicht nur mit Ketchup verschmiert, sondern auch noch völlig durchnässt. Gasperlmaier versuchte, sich ihren Bemühungen zu entziehen. „Ich muss jetzt wirklich, wir haben einen Einsatz!“ Die Frau Doktor, bemerkte Gasperlmaier, bedeutete ihm mit einer etwas unwirschen Kopfbewegung, er solle jetzt endlich kommen. „Einen Einsatz? Ja, was will denn die Polizei bei uns in der Schule?“ Gasperlmaier machte sich los, während die Frau Doktor schon die Hand auf die Türklinke des Schulsekretariats gelegt hatte.
Drinnen im Büro befand sich eine Theke, hinter der sich zwei große Schreibtische ausbreiteten. Den linken hatte eine ältere Frau im Dirndl mit kurzen, blonden Haaren besetzt, vor dem rechten saß eine junge, schwarzhaarige, die Kaugummi kaute. Auf Gasperlmaiers Seite des Tresens standen fünf oder sechs kleine Mädchen. Die ältere Frau kramte gerade in einer Schuhschachtel mit Fundsachen herum und hielt eine Füllfeder in die Höhe. „Die?“ Eines der Mädchen, das nur auf Zehenspitzen stehend über den Tresen blicken konnte, schüttelte den Kopf. Die anderen hatten sich Gasperlmaier zugewandt und staunten mit offenen Mündern. Erstens, dachte Gasperlmaier, wahrscheinlich, weil ihnen ein Polizist in ihrer Schule ein doch ungewohnter Anblick war, und zweitens wegen seiner angepatzten Jacke. „Sind Sie wegen meiner gestohlenen Füllfeder da?“, piepste die Kleine. Gasperlmaier schüttelte den Kopf. „Nein, ich bin wegen …“ Die Frau Doktor stieß ihm den Ellbogen in die Rippen, um ihm zu verstehen zu geben, er solle den Mund halten.
Die blonde Sekretärin erhob sich nun. „Was kann ich denn für Sie tun? Und ihr verschwindet’s jetzt!“, verscheuchte sie die Mädchen, die gehorsam im Gänsemarsch zur Tür hinaus trippelten. „Immer das Gleiche!“, lamentierte sie, „einer fehlt was, und zu sechst kommen sie hier herein und verstopfen alles. Und natürlich ist immer alles gleich gestohlen worden – dass sie mit ihrer Schlamperei meist selbst schuld sind, wenn was verschwindet, darauf kommen sie zuallerletzt!“ Die Sekretärin warf einen Blick auf Gasperlmaiers Brust. „Um Gottes willen! Was ist denn mit Ihrer Uniform passiert?“ Die Frau Doktor kam gar nicht dazu, ihr Anliegen vorzutragen. „Geben S’ das schnell her, ich richt Ihnen das!“ Fast riss sie Gasperlmaier die Jacke vom Körper und verschwand mit ihr, sodass sich die Frau Doktor an die offensichtlich recht desinteressierte schwarzhaarige Kaugummikauerin wenden musste, die unverwandt auf ihren Bildschirm starrte und dann und wann einmal mit der Maus klickte. So schnell, dachte Gasperlmaier, bin sogar ich, wenn ich mit dem Computer arbeiten muss.
„Doktor Kohlross, Bezirkspolizeikommando Liezen. Wir hätten gern den Schulleiter beziehungsweise die Schulleiterin gesprochen. Die Schwarze blickte kurz auf. „Sie meinen den Herrn
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