Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
Respekt ab, dass einer mit einem schrottreifen VW-Bus umherzog, um den Leuten ein bisschen Musik und ein paar Faxen vorzuführen. Viel, so dachte Gasperlmaier bei sich, konnte er mit seiner Kunst nicht verdienen, so abgerissen, wie der daherkam.
„Wo ist denn die Katharina?“, fragte Gasperlmaier, „isst die nicht mit uns?“ „Erstens“, antwortete die Christine, „mag sie keine Kasspatzen, die sind ihr zu fett, wie du weißt, und zweitens hat sie ihren Salat schon gegessen.“ Gasperlmaier warf der Christine einen skeptischen Blick zu. Das Essverhalten der Katharina bereitete ihm Sorgen. Kein Fleisch, kein Fett, keinen Fisch. Kein Wunder, dass sie so dünn war. Die Christine stellte die Kasspatzen auf den Tisch, und Gasperlmaier nahm sich eine bescheidene Portion, während der Beda sich seinen Teller ordentlich auflud. „Fantastisch, wie du kochst!“, grinste der die Christine an. Da war etwas zwischen den beiden, das Gasperlmaier irritierte. Da war mehr, als er bisher erzählt bekommen hatte. Und das war ja eigentlich recht wenig. „Wie kommt man eigentlich zu einem solchen Namen?“, fragte Gasperlmaier nach dem ersten Mundvoll Kasspatzen. Jetzt erst merkte er, dass er doch einen ordentlichen Hunger von dem anstrengenden Tag mitgebracht hatte. „Beda?“ Gasperlmaier legte in das Wort so viel Verachtung hinein, wie es ihm nur möglich war. Der Beda faltete die Hände mit gespreizten Fingern unter seinem Kinn, vergaß auf seine Kasspatzen und begann zu dozieren. „Beda Venerabilis – oder auch the Venerable Bede, wie man ihn auf Englisch nennt – war ein Gelehrter und Mönch des frühen Mittelalters in England.“ Gasperlmaier schaltete auf Durchzug, kaute weiter, schaufelte Salat in sich hinein und spülte mit einem kräftigen Schluck Bier nach. Eigentlich hätte es ihn interessiert, warum sich der Kerl selbst Beda nannte, nicht, wer sein historisches Vorbild vor mehr als tausend Jahren gewesen war. Die Christine hatte natürlich Gasperlmaiers Verstimmung bemerkt. Sensibel war sie ja. Als der Beda seinen Vortrag beendet hatte, versuchte sie, vermittelnd einzugreifen. „Weißt du, Franz …“ Schon wieder musste er sich Franz nennen lassen. War „Gasperlmaier“ für den Herrn aus der Großstadt zu peinlich? „Der Beda heißt eigentlich Peter, nur hat er sich halt einen Künstlernamen zugelegt. Weil er so mittelalterliche Instrumente spielt.“ Der meldete sich jetzt wieder selbst zu Wort. „In meiner Performance möchte ich das Mittelalter wiedererstehen lassen. Es ergibt sich ein Einklang zwischen Musik, Schauspiel und meinem Körper als Objekt und Subjekt gleichermaßen. Das Ziel ist Transzendenz, gewissermaßen. Das versuche ich zu vermitteln.“ Gasperlmaier verstand gar nichts. Und ihm war egal, was der Beda zu vermitteln hoffte. Außerdem roch er seltsam.
„Der Beda, ich habe ihm versprochen, dass er bei uns übernachten kann. Wo doch der Christoph eh beim Roten Kreuz heute Nachtdienst hat.“ Gasperlmaier merkte, dass die Christine jetzt unsicher wurde. Dass die Chemie zwischen dem Beda und Gasperlmaier nicht stimmte, war ja auch nicht zu übersehen. Warum aber hatte sie diesen Kasperl überhaupt ins Haus gelassen? Was war da los?
„Und wenn der Christoph einmal Nachtdienst hat, dann müssen wir sein Zimmer gleich vermieten. Der Herr Künstler kann sich kein Hotel leisten?“ Gasperlmaier musste seinem Ärger Luft machen. Wie die Christine diesen verkommenen Kerl angestrahlt hatte! Beda erhob sich. „Ich glaub, es ist gescheiter, ich lass euch jetzt mal allein. Ich geh auf die Terrasse, eine rauchen. Und, Herr Inspektor, lassen Sie’s ganz locker angehen. Cool bleiben.“ Der Beda warf der Christine einen Blick zu, den Gasperlmaier genau zu deuten wusste. Wie hast du den nur heiraten können? Einen Dorfpolizisten! Einen Dorftrottel! Als er die Terrassentür zugeschlagen hatte, blieben Gasperlmaier und die Christine allein zurück, beide peinlich berührt und wortlos. Bis die Christine ihre Hand auf die Gasperlmaiers legte. „Ich weiß, ich hätte ihn nicht einladen sollen. Ich hätte wissen müssen, dass ihr euch nicht versteht. Aber er stand einfach so da, unangemeldet, und ich hab mich einfach gefreut, ihn wiederzusehen, nach all den Jahren. Sicherlich, er ist ein bisschen komisch. Aber wirklich nicht ungut.“ Gasperlmaier antwortete nicht. Ein furchtbarer Tag war das gewesen. Zwei Leichen, eine schlimmer zugerichtet als die andere. Auf den Berg hinauf hatte er müssen und
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