Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
Christine dagegen wackelte vor seinen Augen mit dem Finger. „Nein, Gasperlmaier, nicht schon wieder in diesen typisch männlichen Kategorien denken. Wenn ich sage trösten, dann meine ich trösten, und wenn ich meinen würde, dass ich mit ihm geschlafen habe, dann würde ich sagen, ich habe mit ihm geschlafen.“ Bei den letzten Worten war die Katharina hereingekommen, um sich schnell einen Apfel vom Frühstückstisch zu schnappen. „Mama!“, rief sie entsetzt. Gasperlmaier vermutete, dass sie nur den letzten halben Satz der Christine gehört hatte. Die aber lachte über das Entsetzen der Katharina. „Ich hab nur mit dem Papa diskutiert, Kathi. Und, keine Angst. Der Einzige, mit dem ich geschlafen habe, seit es dich gibt, das ist der da.“ Sie zeigte grinsend mit dem Finger auf Gasperlmaier. Dem war das außerordentlich peinlich. Der Katharina auch, denn sie verschwand mit gesenktem Kopf. „Hätte ich gar nicht wissen müssen!“, grummelte sie, während sie sich schon aus der Küche davonmachte.
Der Christine gelang es, in den folgenden zehn Minuten die wesentlichen Eckdaten über den vergangenen Tag aus Gasperlmaier herauszuholen und ihm zwei Schmerztabletten einzuflößen, obwohl der sich wenig kooperativ zeigte und es im Wesentlichen bei einsilbigen Antworten beließ. Gasperlmaier jedoch erfuhr über die Tröstungen, die die Christine dem Beda hatte angedeihen lassen, keine weiteren Einzelheiten. Nicht nur bei der Frau Doktor ging es ihm so, dass er ausgehorcht wurde, während man ihn im Ungewissen ließ, dachte Gasperlmaier bei sich, sondern sogar bei seiner Frau.
Draußen war alles grau in grau, Straßen und Wiesen glänzten vor Nässe um die Wette, sodass Gasperlmaier auf dem Posten zuerst das Licht einschalten musste, bevor er die Schilling-Zeitung aufschlug. Auf den Titel hatte es der Kastenhuber Kurt mit seiner Angeberei nicht gebracht, aber auf Seite drei prangte sein Bild unter der fetten Überschrift: „Loser-Doppelmord: Bergretter packt aus!“ Daneben gleich ein Foto der Simone Eisel, auf dem sie, so fand Gasperlmaier, sehr verführerisch in die Kamera lächelte. Wo, so fragte er sich, hatte die Maggie wohl ein Foto her, das die Simone Eisel im Dirndl zeigte?
Was der Kurt dann auspackte, war bei weitem nicht so sensationell wie die Überschrift. Die Maggie Schablinger hatte halt den Zustand der Leichen sowohl ausführlich als auch gruselig dargestellt. „Selbst Polizeibeamte, die, was grausam zugerichtete Leichen betrifft, einiges gewohnt sein dürften, waren angesichts des Zustands der Toten dem Zusammenbruch nahe“, musste Gasperlmaier lesen. Das, so dachte er bei sich, war sicherlich ein Seitenhieb der Maggie auf ihn, weil der Kastenhuber Kurt, der Depp, in seinem Dusel nicht hatte dichthalten können und über Gasperlmaiers Missgeschick angesichts der Skelettteile, die die Bergretter heruntergebracht hatten, anscheinend ausführlich Bericht erstattet hatte. „Offenbar schleppende Ermittlungen der Polizei haben noch zu keinem Ergebnis geführt.“ Einen Seitenhieb auf die Polizei konnte sich die Maggie wohl niemals verkneifen. Gasperlmaiers Magen meldete sich schmerzhaft zu Wort. Wenn es mit ihm seelisch nicht zum Besten stand, machte sich das am ehesten im Magen bemerkbar.
Unten auf der Seite gab es noch ein Kästchen, das Gasperlmaier überraschte. „Ehemann gebrochen“ stand da, und es gab auch ein Foto des Magister Eisel in seinem zerknautschten weißen Hemd und seiner Schnürlsamthose, das die Maggie, so wie es schien, gestern aufgenommen hatte. „Der Gatte“, so hieß es da, „ist verzweifelt. Wer ihm seine geliebte Ehefrau genommen hat, möchte er so schnell wie möglich wissen.“ Stilistisch, dachte Gasperlmaier, ist die Maggie auch nicht ganz auf der Höhe, denn das Wort „Gatte“, das mochte Gasperlmaier nicht, da musste er an eine lange, schlotternde Unterhose denken, denn in seiner Jugend war die „Gatte“ eine solche gewesen, aber auf jeden Fall kein Ehemann.
„Auf, Gasperlmaier!“, hieß es plötzlich, und der Angesprochene fuhr von seiner wenig erbaulichen Lektüre auf, was seine Halswirbelsäule mit einem Schmerzausbruch quittierte. Die Frau Doktor stand vor ihm, in der rechten Hand einen noch tropfenden, blau-weißen Schirm. „Jetzt gehen wir den Herrn Magister Fritzenwallner besuchen, ich bin doch zu gespannt, wie einer aussieht, der der eleganten Simone Eisel den Kopf verdreht!“ Die Frau Doktor, so fiel Gasperlmaier auf, war heute ganz in Lila. Bluse
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