Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
zum Frühstückstisch zu setzen.
„Gasperlmaier! Frühstück!“ Schuldbewusstsein konnte Gasperlmaier der Stimme seiner Christine nicht entnehmen. Wie war es überhaupt möglich, dass sie nach offenbar durchzechter Nacht so frisch und munter schien?
Missmutig setzte sich Gasperlmaier zum Frühstückstisch. Er hatte Kopfweh, und er wusste nicht recht, was er mit der durchschwitzten Halskrause anfangen sollte, die unangenehm drückte und säuerlich roch. „Du schaust ja furchtbar aus! Was ist denn mit dir passiert?“ Gasperlmaier überlegte, was er sagen sollte. „Ich hab mich schon gewundert über die Halskrause, als ich heimgekommen bin, aber ich wollte dich halt nicht aufwecken.“ Das, so verstand Gasperlmaier, war eine eindeutige Aufforderung, endlich damit herauszurücken, wie er zu seinem Halsschmuck gekommen war. „Und du stinkst! Wo warst du denn gestern noch?“ Mit einem raschen Ruck öffnete die Christine den Klettverschluss, und Gasperlmaier gelang es nicht rechtzeitig, den Kopf im Gleichgewicht zu behalten, sodass der recht unsanft vor- und wieder zurückpendelte, was seine Halswirbelsäule mit einem Schmerzausbruch quittierte. Erstaunt stellte Gasperlmaier fest, dass der heftige Schmerz, der sich jetzt vom Hals über die Schulter hinweg den Arm hinunterzog, seinen Kopfschmerz ausblendete. Anscheinend war es ihm nicht möglich, an zwei Körperteilen gleichzeitig heftigen Schmerz zu empfinden. „Du kannst das Ding nicht dauernd tragen, das wird ja völlig verschwitzt. Bleib da sitzen, ich schau, dass ich es ein bisschen abwischen kann.“ Gasperlmaier hatte noch nicht einmal einen Schluck Kaffee getrunken, schon war er der Christine mehrere Antworten schuldig, ohne dass er überhaupt zu Wort gekommen war. Wo es ihn doch brennend interessiert hätte, warum die Christine so spät nach Hause gekommen war, und, vor allem, was sie während ihrer Abwesenheit getrieben hatte. Gasperlmaier nippte am heißen Kaffee. Auf Essen hatte er jetzt absolut keine Lust. Als er die Tasse, vor jedem Schluck vorsichtig über die Oberfläche des heißen Kaffees blasend, halb geleert hatte, kam die Christine zurück und gab ihm die Halskrause. Sie roch tatsächlich besser und war sogar trocken. Unbeholfen versuchte er sie umzulegen, doch die Christine kam ihm zuvor und befestigte sie mit raschen Handgriffen um den Hals Gasperlmaiers. „Beim Duschen wirst du sie noch einmal runternehmen müssen. Na, fällt dir jetzt endlich ein, wie du zu dem Ding gekommen bist?“ Gasperlmaier entschloss sich zu einer Kurzversion. „Ein Mordverdächtiger hat uns mit dem Auto gerammt. Unabsichtlich. Es ist eh nichts passiert.“ Die Christine atmete hörbar aus. „Und ich hab mir schon gedacht, die Rettung hat dich in deinem Rausch aufklauben müssen und mit der Halskrause heimgebracht.“ Sie schien erleichtert. Und das, so dachte Gasperlmaier bei sich, wo sie soeben erfahren hatte, dass er an einem Unfall beteiligt gewesen war. Das war wohl nicht so schlimm, als wäre er auf dem Nachhauseweg im Rausch irgendwo hingeschlagen. Dennoch fühlte sich auch Gasperlmaier, obwohl er noch nicht einmal ansatzweise eine Erklärung für die allzu späte Heimkehr der Christine erhalten hatte, ein wenig leichter.
„Wo ist der Unfall denn passiert?“, wollte die Christine wissen, die sich offenbar pudelwohl fühlte und ihr Früchtemüsli in sich hineinschaufelte, während Gasperlmaier überlegte, ob ihm eine zweite Tasse Kaffee besser helfen würde, durch den Tag zu kommen. „Auf der Loserstraße“, antwortete er. Und noch bevor die Christine wieder ablenken konnte, fragte Gasperlmaier vorsichtig nach: „Wo bist du denn gestern so lang gewesen?“ Dabei bemühte er sich, jeden Vorwurf aus seiner Stimme herauszuhalten und so zu klingen, als ginge es ihm wirklich nur um interessierte Anteilnahme an den Unternehmungen seiner Christine. Die jedoch hatte anscheinend doch einen leisen, unausgesprochenen Vorwurf aus Gasperlmaiers Frage herausgehört. „Franz, du weißt, ich war gestern bei der Veranstaltung vom Beda. Und ich sage dir ganz ehrlich, mir hat sein Kasperltheater nicht besonders gefallen.“ Gasperlmaier wusste, dass es ernst wurde, wenn sie ihn mit „Franz“ anredete. „Er hat mir sogar ein wenig leidgetan, weil so wenig Leute gekommen sind. Und weil es so kalt war, haben wir uns in der Fischerhütte noch zusammengesetzt und geplaudert. Wenn du so willst, habe ich ihn sogar getröstet.“ Gasperlmaier sah überrascht auf. Die
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