Letzter Gipfel: Ein Altaussee-Krimi (German Edition)
hell, Jacke und Hose ein wenig dunkler. Ausgezeichnet passte das zu ihren rostroten Haaren mit den orangen Strähnen drin, dachte Gasperlmaier. Nur der weiße Verband an der Hand, der passte nicht ganz dazu, fand er. Lila Mullbinden waren halt noch nicht erfunden worden. „Was ist denn bei dem Röntgen gestern rausgekommen?“, fragte die Frau Doktor. Gasperlmaier zuckte nur mit den Schultern. „Das kriegt der Hausarzt. Ich weiß noch nichts.“ Die Frau Doktor zeigte auf die Halskrause. „Und Sie sind trotzdem einsatzfähig?“ Gasperlmaier vergaß, dass er nicht nicken konnte, versuchte es und büßte wiederum mit einem stechenden Schmerz. Die Frau Doktor zog eine Grimasse, um ihren Zweifel an seiner Einsatzfähigkeit auszudrücken. Mehr als „Hm!“ sagte sie allerdings nicht zu seinem Zustand.
„Ist der nicht in der Schule?“, fragte Gasperlmaier, als ihn die Frau Doktor in Aussee anwies, in die Auffahrt zu einem größeren Haus einzubiegen. „Ich hab mich schlau gemacht, Gasperlmaier. Der Herr Magister Fritzenwallner hat heute erst am Nachmittag Unterricht, wir erwischen ihn an seinem freien Vormittag.“ Gasperlmaier hatte nicht gewusst, dass Lehrer freie Vormittage hatten. Ihm war es schon genug, dass sie anscheinend am Nachmittag nichts zu tun hatten. Allerdings, musste er sich selbst eingestehen, wenn er daran dachte, wie viele Nachmittage seine Christine entweder gleich in der Schule oder zu Hause mit Schularbeiten verbrachte, mochte seine Auffassung vielleicht ein wenig ungerecht sein. „Wenn ich boshaft wäre“, pflegte seine Christine zu sagen, „dann würde ich dir auch die ganzen Stunden von deiner Arbeitszeit abziehen, wo du auf dem Posten herumsitzt und dir mit dem Kahlß Friedrich zusammen überlegst, wann die nächste Jause herangeschafft werden soll und wo sie herkommt. Für Pausen hab ich nämlich in der Schule keine Zeit.“ Die Christine, so erinnerte sich Gasperlmaier, hatte sich sogar schon öfters darüber beklagt, dass sie vormittags nicht einmal Zeit zum Klogehen habe. Dafür gönnte man sich auf dem Polizeiposten allerdings ausreichend Gelegenheit.
Gasperlmaier stellte das Auto auf dem kleinen Parkplatz ab, der zu dem Haus zu gehören schien, neben einem blitzblauen Cabrio. Gasperlmaier staunte. „Ob dem Herrn Magister Fritzenwallner das ganze Haus gehört?“, fragte er sich ebenso wie die Frau Doktor. „Das ist ja riesig! Hat er eine Familie?“ Die Frau Doktor zuckte nur mit den Schultern und stieg den kurzen, ansteigenden Weg zur Haustür hinauf.
An der befanden sich insgesamt drei Klingelknöpfe, deren mittlerer mit „Fritzenwallner“ beschriftet war. Das beruhigte Gasperlmaier, denn er war bei dem Gedanken, dass ein Lehrer, auch wenn er ein Magister war, ein solches Haus ganz allein besaß, schon ein wenig neidisch geworden. Es dauerte ein bisschen, bis der Herr Magister Fritzenwallner öffnete. Der war allerdings nicht nur für Gasperlmaier, sondern auch für die Frau Doktor eine Überraschung. Der Herr Magister Fritzenwallner lächelte freundlich. „Schönen guten Tag. Was kann ich denn für Sie tun?“ Die Frau Doktor, fand Gasperlmaier, war beim Anblick des Magister Fritzenwallner ein wenig in Verlegenheit geraten. Der trug nämlich nur eine schwarze Radlerhose und ein violettes Handtuch um den Hals, das in der Farbe durchaus mit dem Kostüm der Frau Doktor harmonierte. Seine gänzlich haarlose Brust glänzte vor Schweiß, und unter der gebräunten Haut zeichneten sich gut trainierte Muskeln ab. Der Herr Magister, so dachte Gasperlmaier bei sich, besitzt das, was man heutzutage wohl ein „Sixpack“ nannte. Sein Sohn Christoph träumte auch von einem solchen und hatte zu dem Zweck ein Brett mit Klettergriffen über dem Türrahmen montiert, an dem er allabendlich Klimmzüge trainierte. Teilweise sogar an nur zwei Fingern. Der Herr Magister hatte kurze, rabenschwarze Haare und so einen kurzen Bart, bei dem die Haut durchschien. Darunter kamen kantige Gesichtszüge zum Vorschein.
„Bitte entschuldigen Sie – an meinem freien Vormittag trainiere ich gewöhnlich ein, zwei Stunden. Und bei dem Wetter“, er deutete nach draußen, gegen den Himmel hin, „muss ich mich halt mit dem Ergobike begnügen.“ Die Frau Doktor lächelte dem Herrn Magister etwas unkritisch ins Gesicht, wie Gasperlmaier fand. Ihm war auch nicht entgangen, dass sie dessen Brust- und Bauchmuskeln mit kurzen, aber aufmerksamen Blicken begutachtet hatte. Gasperlmaier fragte sich, was ein
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