Letzter Gruss - Thriller
Postkarten, und das hat ihn am Schluss auch überführt.«
Er leerte seine Tasse.
Dessie fröstelte im Wind.
»Aber warum ich?«
Jacob Kanon knöpfte seine Wildlederjacke zu.
»Sie sind begabt, ehrgeizig, Ihr Beruf hat Vorrang vor fast allem anderen in Ihrem Leben. Sie haben eine hervorragende Ausbildung, sind eigentlich überqualifiziert für die Art von Journalismus, den Sie betreiben und der Sie nicht im Geringsten interessiert.«
Dessie bemühte sich, ein gleichgültiges, neutrales Gesicht zu machen, während sie an ihrem Kaffee nippte.
»Wie kommen Sie darauf?«
»Habe ich Recht?«
Sie räusperte sich leise.
»Na ja«, sagte sie. »Ein bisschen schon.«
Er sah sie nachsichtig an.
»Das ist keine Wissenschaft«, sagte er. »Ich glaube, ich weiß, wie sie ihre Kontaktpersonen auswählen.«
Dessie schlang sich die Arme um die Schultern.
»Wie denn?«
»Am Tag, an dem sie zur Tat schreiten, kaufen sich die Mörder Zeitungen. Den Journalist, der an diesem Tag am ausführlichsten über ein Verbrechen schreibt, wählen sie als Kontaktperson aus.«
»Aber wenn sie englischsprachig sind, wie können sie dann schwedische Zeitungen lesen?«
Er zuckte die Schultern.
»Die Wörter ›Polizei‹ und ›kriminell‹ sind in fast allen Sprachen gleich.«
Dessie blinzelte ein paarmal.
»Brecheisen-Bengt«, sagte sie. »Aftonposten hatte am Donnerstag mein Interview mit Brecheisen-Bengt auf der Titelseite.«
Jacob Kanon schaute hinaus aufs Wasser.
»Aber woher wissen Sie das alles?«, fragte sie. »Das mit meinem Ehrgeiz und meiner Ausbildung …?«
»Sie sind eine Frau und schreiben über typische Männerthemen. Das erfordert Begabung und Bescheidenheit. Dort, wo ich herkomme, steht Kriminaljournalistik nicht besonders hoch im Kurs, auch wenn sie letztendlich den Umsatz bringt. Deshalb sind die Reporter meist kompetent, aber nicht besonders gut angesehen.«
»Das stimmt nicht immer«, sagte Dessie und dachte an Alexander Andersson. Jacob Kanon lehnte sich zu ihr herüber.
»Ich brauche Ihre Unterstützung«, sagte er. »Ich brauche unbedingt
einen Zugang zu den Ermittlungen und zu den Medien. Ich glaube, diesmal kann ich sie kriegen.«
Dessie stand auf und legte die Geldscheine unter die Kaffeekanne, damit sie nicht weggeweht wurden.
»Nehmen Sie ein Bad und verbrennen Sie Ihre Kleider«, sagte sie, »dann sehen wir weiter.«
18
Rasch war die Geschichte zu einer internationalen Topnachricht mit Schauplatz Stockholm geworden – das hatte Seltenheitswert. Alle hartgekochten Reporter der Zeitung versuchten, eine Schlagzeile unterzubringen, die vielleicht von CNN oder der New York Times zitiert werden würde. In der Bildredaktion drängten sich die Fotografen. Forsberg raufte sich die Haare und sprach aufgeregt in zwei Handys gleichzeitig. Alexander Andersson hielt am Newsdesk Hof und verlas laut seine eigenen Artikel. Zum ersten Mal seit Menschengedenken war Chefredakteur Stenwall an einem Sonntag in der Redaktion erschienen. Dessie sah, wie er in seinem Aquarium saß und an einer Tasse Kaffee nuckelte. Sie ging an ihren Schreibtisch, packte ihren Laptop und die Kamera aus, übertrug die Bilder vom gelben Haus im Schärengarten auf den Rechner und schickte sie an die Bildredaktion. Anschließend verfasste sie ein Memo mit den Fakten über das Verbrechen und die Opfer, als Grundlage für einen Info-Kasten.
»Wie war’s da draußen?«, fragte Forsberg, der urplötzlich wie aus dem Nichts neben ihrem Schreibtisch aufgetaucht war.
»Unheimlich«, sagte Dessie und schrieb weiter auf ihrem Laptop.
»Sind es dieselben Mörder wie da unten in Europa?«
»Sieht so aus«, sagte sie und drehte ihren Computer so, dass der Nachrichtenchef ihre Hintergrundinformationen lesen konnte.
»Augentropfen?«, fragte Forsberg verwundert.
»Es ist in Schweden schon mehrmals vorgekommen, dass Frauen mit Augentropfen im Drink willenlos gemacht wurden. In Mexiko City verwenden Prostituierte die Tropfen, um Freier auszunehmen. Mindestens fünf Männer sind schon daran gestorben.«
»An Augentropfen im Drink?«, sagte Forsberg zweifelnd.
Dessie sah zu ihm auf.
»Einige Nutten haben sie sich direkt auf die Brustwarzen getropft.«
Forsberg wechselte das Standbein und das Thema.
»Wie viel von dem können wir veröffentlichen?«
»So gut wie gar nichts«, antwortete Dessie und tippte weiter auf ihrem Computer. »Die Ermittler wollen die Informationen über die Drogen, den Champagner und die anderen Funde am Tatort
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