Letzter Gruss - Thriller
vorerst zurückhalten. Was wir bringen können, sind die Todesursache und die Hintergrundinformationen über die Opfer. Die Angehörigen sind gegen Mittag informiert worden.«
Forsberg setzte sich auf ihren Schreibtisch.
»Die Opfer?«
Dessie starrte auf den Bildschirm mit den trockenen Fakten, die sie über die Verstorbenen zusammengestellt hatte.
Claudia Schmidt, zwanzig Jahre alt. Verlobt mit Rolf Hetger, dreiundzwanzig, beide aus Hamburg. Sie waren am Dienstag nach Stockholm gekommen, hatten das Haus auf Dalarö übers Internet gebucht. Am Flughafen hatten sie ein Auto gemietet, einen Ford Focus. Der Wagen galt als vermisst.
»Wahrscheinlich haben sie ihre Mörder irgendwo in der Stadt getroffen und sie in ihr Ferienhaus eingeladen. DPA schickt uns zwei Porträtfotos. In drei Minuten hast du alles zusammen auf dem Tisch.«
»Wer sind deine Quellen?«
Sie sah ihn unbeteiligt an.
»Meine Sache«, sagte sie. »Was machen wir mit den Infos über die Postkarten und die Polaroids?«
Forsberg stand auf.
»Die Polizei hält den Chef an der kurzen Leine. Wir dürfen erst mal nicht raus damit. Hast du Fotos vom Haus gemacht?«
»Sicherheitshalber ja. Sind schon in der Bildredaktion. Das ist so krank …«
Sie hielt die Kopie der Postkarte hoch, auf der die Börse zu sehen war.
»Weißt du, wie der Amerikaner sie nennt? Postcard killers … «
»Coole Headline. Die Zeilen sind fast gleich lang.«
Dessie warf einen Blick auf ihre Armbanduhr.
»Die letzte Post ist schon gekommen. Wenn nichts dabei ist, mach ich Schluss für heute.«
»Ein Date?«, fragte Forsberg neckend.
»So ist es«, sagte sie, »und ich bin schon spät dran.«
19
Sie war wirklich verabredet, und das kam nicht jeden Tag vor. Irgendwie hatte sie sich auf diesen Abend gefreut, darüber, dass sie zum Essen in ein edles Restaurant mit Kerzen und weißen Tischdecken eingeladen wurde. In diesem Moment aber hätte sie alles dafür gegeben, nicht dorthin zu müssen.
Ein paar Wochen zuvor hatte Hugo Bergman mit ihr Kontakt aufgenommen. Er war ein sehr erfolgreicher Krimiautor, der sie um Hilfe bei der glaubwürdigen Beschreibung einer seiner Hauptpersonen bat. Es ging um einen kleinen Dieb, der das Opfer einer globalen Verschwörung wurde. Zum Dank würde er sie zum Essen einladen, hatte Bergman gesagt.
Geschmeichelt hatte sie eingewilligt. Hugo Bergman war reich und berühmt und sah nicht schlecht aus. Das hatte sie jedenfalls immer gedacht, bis sie sich mit ihm traf und die Grundzüge seines Romans zu hören bekam.
Der Dieb sollte in eine riesige Verschwörung hineingezogen werden, bei der es um genmanipulierte Trabrennpferde, einen Ministerpräsidenten im Koma und einen Popstar ging, der nach der Weltherrschaft trachtete.
Vorsichtig hatte sie versucht, Herrn Bergman klarzumachen, dass sie ihm nicht helfen konnte, selbst wenn sie tausend Doktorarbeiten über Kleinkriminalität geschrieben hätte: Sein Held würde nie glaubwürdig sein.
Und jetzt stand also das versprochene Dinner auf dem Programm, ausgerechnet an diesem Abend und ausgerechnet im Operakällaren, einem der angesagtesten Restaurants der Stadt.
Sie stellte ihr Fahrrad vor dem Eingang ab. Der Leichengeruch aus Dalarö hing ihr noch immer in der Nase. Sie setzte den Helm ab, ließ das Haar über den Rücken fallen und ging hinein. Unpassender als sie in ihrer Schlabberhose und dem verschwitzten Pullover konnte man nicht gekleidet sein, aber sie hatte keine Zeit mehr gehabt, nach Hause zu fahren und sich umzuziehen.
Der Ober führte sie zum Tisch. In dem überwältigenden Speisesaal mit Kristalllüstern, Deckengemälden und schweren Silberleuchtern fühlte sie sich so plump und unbeholfen wie eine Dorfpomeranze.
»Dessie«, sagte Hugo Bergman, und sein Gesicht leuchtete auf. Er erhob sich und küsste sie ganz europäisch auf beide Wangen. »Wie schön, Sie wiederzusehen.«
Dessie lächelte gezwungen.
»Tut mir leid, dass ich zu spät komme, aber ich habe den ganzen Tag mit einem Doppelmord verbracht …«
»Ach«, sagte Hugo Bergman, »diese Journalisten! Mord und Totschlag ist ihr Alltag. Aber was sage ich? Wer im Glashaus sitzt …«
Er lachte über seinen eigenen Scherz.
»Das war wirklich scheußlich«, sagte Dessie und setzte sich. »Die Opfer, ein junges Paar aus Hamburg …«
»Na, jetzt sprechen wir nicht mehr darüber«, unterbrach sie der Schriftsteller und schenkte ihr ein Glas Rotwein ein. »Mein Agent hat heute einen Vertrag mit einem holländischen
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