Letzter Gruss - Thriller
Amerikaner. Ihr beherrscht die Feinheiten unserer Sprache nicht.«
»Aber Dessie Larsson schon, oder wie?«
»Dessie hat eine Doktorarbeit in Kriminologie auf Englisch verfasst. Sie auch?«
Dessie stellte sich zu ihnen.
»Ich habe so etwas schon einmal gemacht«, sagte sie leise.
Jacob und die Polizeidirektorin sahen sie überrascht an.
»Ich habe Verbrecher in laufenden Ermittlungen befragt. Natürlich ohne Notizblock oder Tonbandgerät und unter polizeilicher Aufsicht. Es wäre also nicht das erste Mal.«
»Was sollte uns das bringen?«, fragte Mats Duvall.
»Was habt ihr zu verlieren?«, entgegnete Jacob.
62
Die Pressekonferenz lief sofort aus dem Ruder.
Mehrere amerikanische TV-Sender übertrugen die Veranstaltung live, und die Reporter hatten keine Lust, Evert Ridderwalls holprige Beschreibung der bisherigen Ermittlungen über sich ergehen zu lassen. Sie feuerten fast sofort ihre Fragen ab, woraufhin eine weitere Komplikation offenbar wurde: Evert Ridderwalls Englisch war einfach erbärmlich. Außerdem hörte er schlecht. Er schaffte es mit Mühe und Not, das Statement vorzulesen, das die Ermittler gemeinsam für ihn verfasst hatten, aber was die Reporter fragten, verstand er nicht, wenn er es denn überhaupt hörte.
»Hochmut kommt vor dem Fall«, murrte Dessie, die mit Jacob ganz hinten im Saal stand.
»Und das beste Beispiel dafür sitzt da vorn«, sagte Jacob grimmig.
Evert Ridderwall hatte darauf bestanden, die Pressekonferenz zu leiten, schließlich war er als Staatsanwalt ja auch der Leiter der Voruntersuchung.
Sara Höglund, die neben ihm auf dem Podium saß, beugte sich schließlich resolut über den Tisch, schnappte sich Ridderwalls Manuskript und übernahm den Vortrag.
Ihr Englisch klang nach amerikanischer Ostküste, Jacob erinnerte sich, dass sie über die New Yorker Polizei gut Bescheid
wusste. Vielleicht hatte sie irgendwann mal eine Ausbildung im NYPD gemacht oder dort gearbeitet.
Eigentlich sagte sie überhaupt nichts, außer dass die Ermittlungen fortgeführt würden, dass die Tatverdächtigen vernommen worden waren und sie gewisse Indizien gesichert hätten, aber aus ermittlungstechnischen Gründen keine näheren Angaben dazu machen könnten.
»Blödsinn, das ist alles nur leeres Geschwätz«, sagte ein Reporter von einer der schwedischen Presseagenturen zu seinem Kollegen direkt vor Dessie und Jacob.
»Gehen wir?«, flüsterte Jacob.
Sie hatten gerade den Ausgang erreicht, als der Reporter der Nachrichtensendung Dagens Eko Dessie entdeckte.
»Dessie?«, rief er ihr nach. »Dessie Larsson?«
Sie drehte sich um, überrascht, dass er sie erkannt hatte.
»Ja?«, sagte sie erstaunt und hatte im nächsten Moment ein großes Mikrofon vor der Nase.
»Was sagen Sie zu der Kritik, die gegen Sie erhoben wird?«
Dessie starrte den Typen an, er war unrasiert und stank aus dem Mund.
Nicht aufbrausen, dachte sie. Nicht wütend werden, nicht weglaufen, darauf spekuliert er ja nur.
»Kritik?« Sie zog die Augenbrauen hoch. »Woran dachten Sie da speziell?«
»Wie äußern Sie sich zu dem Vorwurf, dass Sie diese angelsächsische Unsitte, brutalen Serienmördern viel Geld zu zahlen, in Skandinavien eingeführt haben?«
»Ich glaube, da haben Sie etwas missverstanden«, erwiderte sie und versuchte, gelassen und vertrauenerweckend zu klingen. »Ich habe kein Geld an …«
»Aber Sie haben es versucht !«, rief der Reporter entrüstet aus. »Sie wollten bezahlte Interviews mit brutalen Serienmördern führen!
Finden Sie es wirklich moralisch vertretbar, Verbrecher für ihre Taten auch noch mit Geld zu belohnen?«
Dessie schluckte.
»Erstens ist nicht ein einziger Öre geflossen, und zweitens war es nicht meine Entscheidung, die …«
»Begreifen Sie nicht, dass Sie sich an dem Verbrechen mitschuldig gemacht haben?«, geiferte der Reporter. »Wo ist der Unterschied, ob man für einen Mord bezahlt oder für die Details über einen Mord?«
Dessie schob das Mikrofon weg und ergriff die Flucht.
»Machen Sie sich nichts draus«, sagte Jacob ihr ins Ohr.
Er war direkt hinter ihr. Den Wortwechsel selbst hatte er nicht verstanden, aber was den Inhalt und die Absicht des Reporters betraf, machte er sich offensichtlich keine Illusionen.
»Nach dieser Katastrophe wird Duvall nach jedem Strohhalm greifen. Ich wette, es dauert keine zehn Minuten, bis er uns bittet, die Rudolphs zu befragen.«
Dessie atmete tief durch und verdrängte den Nachrichtenreporter aus ihrem Bewusstsein.
Wie sich
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