Letzter Gruss - Thriller
brachten und den Mord an Nienke und Peter vortäuschten.«
Der Mann breitete die Arme aus und zog fragend die Augenbrauen hoch.
»Wovon reden Sie eigentlich?«
»Und die Augentropfen?«, sagte Jacob. »Im Hotelzimmer waren sie nicht, also haben Sie die natürlich am selben Ort versteckt.«
Malcolm sah seine Schwester an.
»Verstehst du, wovon er redet?«
»Ihre Theatervorstellung im Grand Hotel war gut«, fuhr Jacob fort, »aber nicht gut genug.«
Er wandte sich an Sylvia.
»Man sieht, dass Sie Wangenküsse in die leere Luft verteilen, dass Sie die Unterhaltung nur vortäuschen. Und Sie haben nicht an den Schatten gedacht.«
Sylvia schüttelte den Kopf, aber ihr Lächeln war unsicher geworden.
»Entschuldigung«, sagte sie, »aber worauf wollen Sie eigentlich hinaus? Was soll das alles?«
»Ich kläre Sie über Ihre Fehler auf«, erwiderte Jacob. »Ich rede von dem Schattenwurf, der zu sehen ist, wenn ein toter Körper das durchs Fenster hereinfallende Tageslicht blockiert.«
Sylvias Augen waren schmal geworden und vollkommen schwarz.
»Was Sie hier veranstalten, ist pure Schikane«, sagte sie.
»Er meint die Statue vom Millesgården«, warf Dessie ein. »Deren Schattenriss auf dem Fußboden im Hotelflur zu sehen war, als Sie die Tür geöffnet haben. Von welchem Schatten sollte er sonst sprechen?«
»Wir verlangen einen Anwalt«, sagte Sylvia.
65
Das Geschwisterpaar klappte zu wie eine Auster.
Sie weigerten sich, ohne Anwalt auch nur noch ein Wort zu sagen.
Die Befragung wurde abgebrochen, die Geschwister wurden zurück in ihre Zellen gebracht, und Dessie und Jacob gingen in Mats Duvalls Büro, in dem die Ermittlungsgruppe sich versammelt hatte.
Sara Höglund sah auffallend zufrieden aus.
»Das mit dem Schatten hat wirklich funktioniert«, sagte sie.
»Schade, dass es nur eine Finte war«, sagte Jacob. »Sonst hätten wir jetzt tatsächlich was in der Hand.«
»Bleibt nur zu hoffen, dass sie sich jetzt in unterschiedliche Lügen und Erklärungsversuche verstricken«, sagte die Polizeidirektorin.
Die Erkennungsmelodie der Fünfuhrnachrichten erklang, und Mats Duvall drehte die Lautstärke auf.
Aufmacher der Nachrichtensendung war die »zweifelhafte Festnahme« zweier US-amerikanischer Kunststudenten auf ihrer Reise durch Schweden.
Der Nachrichtensprecher verlas mit sonorem Bass die Topmeldung des Tages:
»Der Redaktion von Dagens Eko liegen Informationen vor, nach denen die verdächtigten Geschwister für die Tatzeit der
Morde in mehreren europäischen Staaten ein Alibi besitzen. Außerdem zeigt der Film aus der Überwachungskamera im Grand Hotel, dass die Holländer noch lebten, als die Geschwister sie am Samstagnachmittag verließen …«
Die Luft in Duvalls Büro war zu Eis gefroren.
Jemand aus der Ermittlungsgruppe oder aus ihrem sehr engen Umfeld hatte geplaudert.
Keiner sah irgendjemanden an. Alle starrten stur ins Leere.
Dessie fühlte das Unbehagen heraufkriechen.
Sie war es, die man verdächtigen würde, nicht dichtgehalten zu haben. Da es den Behörden gesetzlich verboten war, die Quellen der Medien auszuforschen, würde niemand sie direkt darauf ansprechen, aber sie wusste, was die anderen dachten. Sie war die Journalistin, die Außenstehende, die potenziell am wenigsten Loyale.
Ab jetzt würde sie hier nicht mehr willkommen sein, so viel stand fest.
Je länger die Nachrichtensendung dauerte, desto mehr erstarrte das Gesicht des Kommissars zur Maske.
Der Vorsitzende der Anwaltskammer äußerte scharfe Kritik daran, dass »den Jugendlichen« erst am späten Nachmittag ein Anwalt gestellt worden war, einen vollen Tag nach ihrer Festnahme.
Sara Höglund wurde interviewt und sagte mit ärgerlicher Stimme, dass die Ermittlungen fortgesetzt würden, vermutlich ein Ausschnitt aus den allerletzten Minuten der Pressekonferenz, als sie schon zum elfundfünfzigsten Mal auf immer dieselbe Frage geantwortet hatte.
Dann wurde Dagens Eko medienkritisch.
Die Stimme des Nachrichtensprechers triefte vor Entrüstung, als er die nächste Meldung hinausposaunte.
»In einem heftig kritisierten Brief hat die Aftonposten-Reporterin
Dessie Larsson versucht, sich ein Interview mit den Mordverdächtigen zu erkaufen. Für 100 000 Dollar, umgerechnet fast eine Million Kronen, wollte sie sich ein Exklusivinterview mit den amerikanischen Studenten sichern. Die Vorsitzende des Journalistenverbandes Anita Persson bezeichnete Larssons Vorgehen als Skandal.«
Dessie spürte, wie der Boden unter ihren
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