Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
vorsichtig, „in welchem Verhältnis sind Sie denn zur Frau Naglreiter gestanden?“
Die Evi blickte verständnislos auf: „Wie meinen S’ denn das? Ich hab doch mit der kein Verhältnis … Es ist halt nur, dass die gnädige Frau … so eine arme Frau!“ Gasperlmaier merkte, dass die Evi weitersprechen wollte, aber die Worte gingen in einem Singen und Rotzaufziehen unter, sodass keiner der Anwesenden etwas verstand.
„Ich meine, sind Sie mit ihr gut ausgekommen?“, versuchte es die Frau Doktor von neuem. Jetzt zuckte die Evi die Schultern und ließ die Hand mit dem verrotzten Taschentuch sinken. „Ja, mei!“, sagte sie, „wie man halt mit den Wienern so auskommt. Schikaniert hat’s mich nicht, aber recht kleinlich war sie schon, und ein bissl geizig. Wegen jeder Viertelstunde, die ich einmal früher gegangen bin, hat sie gleich zu rechnen angefangen. Obwohl, für die Stunde hat sie …“ Die Evi blickte zu ihrem Schwager hinüber. „Friedrich, ist das jetzt für mich recht blöd, du weißt es ja eh, so wirklich angemeldet …“ Sie beließ ihre Aussage, wie man das nicht nur in Altaussee in schwierigen Situationen macht, unvollständig.
„Frau Kitzer, wir interessieren uns hier nicht für Schwarzarbeit, wenn Sie das meinen.“
„Ja, ist das gleich Schwarzarbeit, wenn man, nicht ganz angemeldet, wem ein bissl hilft?“, fragte die Evi zögerlich. Gasperlmaier wünschte sich, die Debatte um Nebensächlichkeiten würde ein Ende nehmen.
„Frau Kitzer, und wie sind Sie denn mit dem Herrn Doktor Naglreiter ausgekommen?“
Der Blick der Evi wurde finster, so finster, wie Gasperlmaier ihn noch nie gesehen hatte. „Der war eine Drecksau, war der!“ Die Frau Doktor Kohlross wartete ein wenig, ob die Evi nicht weiterreden würde, aber sie sagte nichts mehr. Der Friedrich gab ihr ein neues Taschentuch, mit dem sie sich die leuchtend rote Nase putzte.
„Warum war er denn eine Drecksau?“, hakte die Frau Doktor sanft und geduldig nach. Die Evi blieb zunächst stumm, dann aber sah ihr Gasperlmaier an, dass sich etwas in ihr aufzustauen begann, das bald würde herausmüssen. Fast wollte der Evi schon der Kopf platzen, schien es Gasperlmaier, als sie losschrie: „Der hat sogar mir unter den Rock gegriffen, der alte Saubartl! Der hat ja vor nichts zurückgeschreckt! Und das hätten Sie einmal sehen sollen, wie der die Natalie angeschaut hat, als sie mir einmal geholfen hat, die Vorhänge nach dem Waschen wieder aufhängen! Dauernd ist er da herumscharwenzelt und hat ihr auf den Hintern geglotzt! Und blöd gefragt! Ob sie einen Freund hat? Und sie ist doch so hübsch, das gibt’s ja gar nicht, dass sie keinen hat! Und so weiter! Ich bin ja froh, dass der hin ist!“
Jetzt war der Luftballon leer, die Evi verstummte, der Kahlß Friedrich schlug vor Schreck seine Riesenpratze vor den Mund, und auch dem Gasperlmaier hatte es die Sprache verschlagen.
„Frau Kitzer, ich muss Sie jetzt noch einmal ganz sachlich fragen, wir können das auch ohne die beiden Herren machen.“ Die Evi winkte ab. „Die können das ruhig hören. Ist ja wahr.“ Die Energie war aus ihrer Stimme gewichen, sie war jetzt ganz flach und kleinlaut. „Hat der Herr Doktor Naglreiter Sie und Ihre Tochter sexuell belästigt?“ Die Evi wiederholte ratlos: „Sexuell belästigt?“ Die Frau Doktor schaltete schnell, der Begriff schien der Evi nicht geläufig. „Haben Sie das Gefühl gehabt, dass er von Ihnen und Ihrer Tochter was wollte, und war das gegen Ihren Willen?“ Leider hatte sich die Frau Doktor wieder etwas im Ton vergriffen. Die Evi hatte sie zwar verstanden, aber falsch: „Ja, glauben Sie denn, ich hätte den an mich hingelassen, den schiachen alten Rammler? Und glauben Sie, meine Tochter hat es Not, dass sie sich von dem anbraten lasst?“, heulte sie die Frau Doktor an, die nun ihre Ratlosigkeit – durch Anheben ihrer Augenbrauen – deutlich machte.
„Frau Kitzer, das habe ich natürlich nicht gemeint!“, versuchte sie zu beruhigen. Gasperlmaier zog sie vorsichtig am Ärmel. Gemeinsam traten sie ein paar Schritte von der Evi und dem Kahlß Friedrich weg. „Ich glaub, das mit der Evi, das machen besser der Friedrich und ich. Ich hab das Gefühl, ihr zwei versteht’s euch nicht richtig.“
„Da könnten Sie recht haben, Gasperlmaier“, gestand die Frau Doktor resigniert ein. „Ich wollte Sie eigentlich nicht unmittelbar in die Ermittlungen einbinden, aber so …“ Auch sie zog es vor, diesmal ihren Satz
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