Letzter Kirtag: Ein Altaussee-Krimi
weitergelaufen, so lang, bis ich Empfang auf meinem Handy gehabt hab. Man soll’s ja nicht glauben, aber hier hinten kannst ja nicht einmal telefonieren!“
Gasperlmaier hörte Motorengeräusch und wandte sich zum See um. Das Linienschiff war – ganz außerhalb der üblichen Fahrzeiten – gerade angekommen, und einige Leute hasteten über den Landungssteg auf das Jagdhaus zu. Auch die Frau Doktor wandte sich um und stöhnte: „Presse! Die haben uns jetzt gefehlt!“ Gasperlmaier konnte einen Mann mit einer Kamera ausmachen, zwei Frauen, eine blonde und eine dunkelhaarige, rahmten ihn sozusagen ein. Der Paul kam mit dem Tee für die Frau Doktor. „Magst ein Bier, Gasperlmaier?“, fragte er, und Gasperlmaier war schon im Begriff, gewohnheitsmäßig wortlos zu nicken, als die Frau Doktor leise „Gasperlmaier!“ zischte, und als er sich ihr zuwandte, deutete sie mit dem Finger verstohlen auf die herannahenden Presseleute. Gasperlmaier sprang wie von der Pistole geschossen von der Bank auf, eingedenk der gestrigen Katastrophe vor dem Bierzelt, die er abends im Fernsehen hatte noch einmal miterleben müssen. „Schauen S’, dass uns die da unten in Ruhe lassen!“, wies ihn die Frau Doktor an. Gasperlmaier stieg die wenigen Stufen von der Veranda hinunter auf die Wiese.
Als er sah, dass die beiden Frauen und der Kameramann geradewegs auf die Absperrbänder zuhielten, die den Fundort der Leiche absperrten, versuchte er ihnen den Weg abzuschneiden. Beide Arme weit ausgebreitet, hastete er den dreien entgegen. Der Mann hatte schon die Kamera auf die Schulter und das Okular ans Auge gesetzt. Die Aussicht, sich womöglich ein weiteres Mal, diesmal mit wedelnden Armen, im Fernsehen blamieren zu dürfen, hemmte den Tatendrang Gasperlmaiers und er ließ die Arme sinken. „Bitte bleiben Sie hinter den Absperrbändern. Filmen und fotografieren verboten. Zu sehen gibt es eh nicht viel!“ Die drei blieben stehen, der Kameramann filmte weiter. Die blonde Frau hielt ein plüschiges Mikrofon in der Hand. „Können Sie uns etwas zu dem Vorfall von heute früh sagen? Ist jemand ermordet worden?“ Schon hatte Gasperlmaier das Mikro vor seiner Nase tanzen. Heftig gestikulierend wehrte er ab. „Ich … wir … es gibt gar nichts zu sagen … wir … ich gebe keinen Kommentar ab!“ Die Blonde zeigte sich unbeeindruckt. „Was sagt die Polizei dazu, dass innerhalb von vierundzwanzig Stunden drei Menschen in Altaussee ermordet worden sind?“ Gasperlmaier wurde schlagartig klar, dass er auf dem besten Weg in ein weiteres Schlamassel war. Sagte er nichts oder redete er Unsinn, würde er heute Abend wieder im Fernsehen als Idiot vorgeführt werden. Gab er Informationen weiter, bekam er es mit seinen Vorgesetzten zu tun. Für langes Überlegen, andererseits, ließ ihm die Blonde keine Zeit. „Heißt das, dass Sie gar nichts wissen, wenn Sie nichts sagen?“ Ein leicht hämisches Lächeln und ein kurzer Blick zum Kameramann ließen Gasperlmaier Fürchterliches ahnen. „Ich sag Ihnen jetzt einmal was.“ Gasperlmaier holte Atem, und allein die kleine Pause genügte der Blonden, um dazwischenzufunken. „Da sind wir aber gespannt.“ Gasperlmaier atmete aus. „Ich bin nicht befugt, Ihnen irgendwelche Informationen zu geben. Das ist nicht meine Aufgabe. Und ich möchte nicht ins Fernsehen.“ Gasperlmaier fand, dass er seine Sache gut gemacht hatte. Der Kameramann schwenkte hinüber zu der Plane, unter der sich die Leiche des Stefan Naglreiter befand. Viel, dachte Gasperlmaier, würde das Fernsehen über das Verbrechen nicht zeigen können. Eine Plane neben einer Hüttenwand.
„Du, Iris!“, sprach die Dunkelhaarige jetzt die Blonde an und fing in ihrer weitläufigen Handtasche zu kramen an. Sehr auffällig geschminkt war sie, fiel dem Gasperlmaier auf, blutrote Lippen, sehr viel lila Lidschatten und schwarze Ringe um die Augen. Und ein bisschen auffällig angezogen war sie auch, alles schwarz, aber mit vielen Krägelchen, Schleifchen, Pelzchen und so allerhand Krimskrams an der Kleidung dran. Aber trotzdem sehr attraktiv, dachte Gasperlmaier. „Wir haben doch … der ist doch … genau!“ Gasperlmaier verstand nur Bahnhof. Plötzlich hielt die Dunkelhaarige eine Ausgabe der Schillingzeitung in der Hand. „Gestatten, Maggy Schab-linger vom Schilling!“, grinste sie, faltete die Zeitung auseinander und hielt Gasperlmaier das Titelblatt vor die Nase. Der erblasste und meinte jetzt begriffen zu haben, was es bedeutete, wenn es
Weitere Kostenlose Bücher