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Letzter Mann im Turm - Roman

Letzter Mann im Turm - Roman

Titel: Letzter Mann im Turm - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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doch bestimmt einen Haufen Mädchen. Jede Menge hübsche Mädchen. Barmädchen?»
    «Ich bin ein verheirateter Mann», sagte Shanmugham. «Meine Frau würde mir die Kehle durchschneiden.»
    Was sie beide zum Lachen brachte.
    Der Makler stand vom Feldbett auf. «Lassen Sie uns diese Sache mit dem Anruf zu Ende bringen.»
    «Nicht von Ihrem Telefon aus.» Shanmugham holte ein kleines rotes Handy heraus. «Das hier hat eine SIM-Karte, die nicht zurückverfolgt werden kann.»
    Er warf es dem Makler zu.
    «Alter Mann», sagte Ajwani in den Hörer. «Alter Mann, bist du da? Nimm ab, alter Mann …» Er schüttelte den Kopf und gab ihm das Telefon zurück.
    Shanmugham erhob sich vom Feldbett und klopfte sich den Staub von der Hose.
    «Das wär’s mit Anrufen.»
    «Und was kommt jetzt?», fragte der Makler, als sie das Büro durch die Hintertür verließen. «Schicken Sie jetzt Jungs, die vor Vishram Holz zerschlagen?»
    Shanmugham schloss den Kinnriemen seines Sturzhelms. «Manche Dinge», sagte er, «erzählt man nicht einmal seinen Cousins.»
    Er ließ die Honda Hero anspringen und fuhr in die Nacht davon.

2. AUGUST
    Das Hämmern an der Tür weckte Masterji. Er griff nach der
Illustrierten Geschichte der Naturwissenschaften,
stand vom Sofa auf und überprüfte die Türkette. Er stand an der Tür und hob mit beiden Händen das Buch.
    Die Pintos standen auf der Schwelle ihres dunklen Schlafzimmers.
    «Nicht hier», flüsterte Mrs Pinto. «Oben. Sie hämmern an
Ihre
Tür.»
    Mr Pinto suchte nach dem Lichtschalter.
    «Warten Sie», sagte Masterji.
    Sie hörten, wie Schritte die Treppe herunterkamen.
    «Wir sollten die Polizei rufen. Bitte, einer soll die …»
    «Ja», sagte Masterji, der immer noch an der Tür stand. «Ruft die Polizei.»
    «Aber Masterji hat den Stecker rausgezogen. Du musst ihn wieder reinstecken, Mr Pinto.»
    Die Schritte wurden lauter. Mr Pinto ließ sich auf die Knie nieder und tastete am Boden herum. «Ich finde den Stecker nicht …»
    «Schnell, Mr Pinto, schnell.»
    «Sei still, Shelley.»
    «Streitet nicht», sagte Masterji von der Tür aus. «Und seid beide still.»
    Jetzt hämmerte es an der Tür der Pintos.
    «Sofort aufhören, oder ich rufe die Polizei!», rief Masterji.
    Draußen klirrten Armreifen. «Ramu, sag deinem Masterji, wer da ist.»
    «O Gott, Sangeeta.» Masterji ließ die
Illustrierte Geschichte derNaturwissenschaften
sinken. Er machte das Licht an. «Was machen Sie um
diese
Uhrzeit hier?»
    «Ramu, sag deinem Masterji, dass wir alle zum Siddhi-Vinayak-Tempel gehen. Wir werden darum beten, dass sich sein Herz erweichen lässt. Komm jetzt, Ramu», sagte sie, «und keinen Lärm; wir wollen die anständigen Leute nicht aufwecken.»
    Die Puris gingen mit dem Jungen zu Fuß zum Siddhi-Vinayak-Tempel? Wie sollte Ramu eine solche Entfernung bewältigen?
    Beinahe hätte er die Tür noch mal geöffnet, um Mrs Puri zu bitten, Ramu das nicht anzutun.
    Es war drei Uhr morgens. Noch dreieinhalb Stunden, dann wäre es hell und sie könnten zur Polizeiwache gehen. Er legte sich die
Illustrierte Geschichte der Naturwissenschaften
auf den Brustkorb, schloss die Augen und streckte sich auf dem Sofa aus.
    Sechseinhalb Stunden später ging er mit Mr Pinto die Hauptstraße entlang.
    «Ich weiß, dass wir spät dran sind. Machen Sie mir bitte keinen Vorwurf. Hätten Sie immer noch Ihren Motorroller, wären wir in fünf Minuten auf der Wache.»
    Masterji sagte nichts. An so einem Tag zu Fuß zu gehen, war eine gute Sache. Mit jedem Schritt wich das Gefühl der Bedrohung von ihm. Er lebte seit dreißig Jahren in Vakola, seine Knochen waren auf ebendiesen Gehsteigen arthritisch geworden. Wer konnte ihm hier gefährlich werden?
    «Ah, die glücklichen Männer von Vishram!»
    Trivedi, der Priester aus der Wohnungsgenossenschaft Gold Coin, kam mit nacktem Oberkörper und ausgebreiteten Armen auf sie zu. Er habe gerade auf der Polizeiwache ein kleines Reinigungsritual durchgeführt, erklärte er. Vor Jahren war auf der Wache jemand gestorben, und einmal im Jahr holte man ihn, damit er das Gebäude von dem Geist des Toten reinigte.
    «Darf ich Sie auf einen Kaffee oder einen Tee einladen? Eine Kokosnuss?»
    «Tee», sagte Mr Pinto.
    «Wir müssen gehen», flüsterte Masterji. «Wir sind sowieso schon spät dran.»
    «Nur ganz kurz», sagte Mr Pinto.
    Er folgte dem Priester zu einer Teestube am Straßenrand; daneben stand ein korpulenter Mann in einem
banian,
der mit einem Kohlebügeleisen Kleider plättete.

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